1933: Die Ausschaltung der politischen Gegner durch die NSDAP nach 1933
Schon kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 begannen im Reich, aber auch in Coburg, gewaltsame Exzesse gegen politische Gegner und Andersdenkende. Die Nationalsozialisten nutzten ihre neue Macht, um nach ihrer Ansicht offene Rechnungen der vergangenen Jahre zu begleichen.[1]
Als Erstes richteten sich die Gewaltmaßnahmen der Nationalsozialisten gegen die Kommunisten und die Mitglieder des Reichsbanners. Am 10. März 1933 traf in Coburg ein Funkspruch aus München ein, dass die Funktionäre der beiden Gruppierungen in „Schutzhaft“ zu nehmen seien.[2] Die Coburger Polizei ging sofort ans Werk, durchsuchte Wohnungen und nahm Verhaftungen vor. In der Zeit vom 9. März bis zum 24. April wurden insgesamt rund 150 Personen festgenommen. Ein großer Teil von ihnen wurde in der „Alten Herberge“, einem sich ans Rathaus anschließenden Gebäude, festgehalten und schwer misshandelt.[3] Ein weiterer Folterort der Nationalsozialisten existierte im Bezirksamtsgebäude.[4] Die Foltermaßnahmen der Nationalsozialisten, die mehrere Wochen lang andauerten, waren Stadtgespräch. Zum einen, weil man natürlich gesehen hatte, wie die Schutzhäftlinge in die „Alte Herberge“ und in das Bezirksamtsgebäude verbracht worden waren, zum anderen, weil man die Schreie der Misshandelten bis auf die Straße hörte. Die Coburger störten sich aber nicht weiter daran. Vielmehr nahmen sie das Handeln der neuen Machthaber schweigend hin.[5] Erst Ende April 1933 kehrte wieder Ruhe im Rathaus und im Bezirksamtsgebäude ein, als die Inhaftierten freigelassen wurden oder nach Dachau kamen. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten Juden Coburgs in das Konzentrationslager Dachau verbracht.[6]
Bis Oktober 1933 erfolgen Verhaftungen weiterer Coburgern durch die Nationalsozialisten und deren neu eingerichteter, aus SA und SS-Männern bestehender Hilfspolizei. Viele der Inhaftierten wurden in das Konzentrationslager Dachau überführt und dort misshandelt.[7]
Schon zuvor, nämlich im Juli, untersagte man den SPD-Stadträten den Besuch des gleichgeschalteten Stadtrats. Nachdem die SPD verboten worden war, wurden die SPD-Stadträte endgültig ihrer Ämter enthoben.[8]
Ein besonders perfides Schauspiel im Umgang mit ihren Gegnern boten die Nationalsozialisten den Coburgern auch am 30. September 1933. An diesem Tag wurden auf dem Marktplatz der Stadt drei Bürger öffentlich gedemütigt: Karl Pauli, Studienprofessor am Gymnasium Casimirianum, Oskar Engel, Oberlehrer an der Rückertschule, und Steuerrevisor Zöllner. Sie wurden auf dem Marktplatz mit Schildern um den Hals, auf denen ihre „Vergehen“ standen, an den Pranger gestellt. Bei den „Verbrechen“ handelte es sich um Kleinigkeiten. So hatte Pauli einem SA-Mann widersprochen und Engel hatte seinen Schülern verboten mit „Heil Hitler“ zu grüßen. Das „Vergehen“ von Zöllner ist nicht mehr bekannt. Diese geringfügigen Attacken gegen die Nationalsozialisten reichten aber aus, um an ihnen ein öffentliches Exempel zu statuieren.[9] Was die Bevölkerung daraus lernen sollte und auch lernte, war: Nicht NS-konformes Verhalten, und sei es anscheinend noch so unerheblich, hatte drakonische Sanktionen zur Folge.
[1] Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922-1933. Frankfurt/Main 2005. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 1008). S. 184.
[2] Fromm, Hubert: Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal. Coburg 2001. S. 57f.; Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 184.
[3] Fromm: Die Coburger Juden. S. 57f., 61.
[4] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 186.
[5] Fromm: Die Coburger Juden. S. 61, 67.
[6] Ebenda, S. 67.
[7] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 185f.
[8] Schmehle, Günther: Coburg und die Deutsche Arbeiterbewegung. Die Arbeiterbewegung im Raum Coburg von ihren Anfängen bis in die Gegenwart, im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung der Arbeiterbewegung, insbesondere in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Diss. Bamberg 1980. S. 173f.; Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 184.
[9] „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Katalog zur Ausstellung der Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. und des Stadtarchivs Coburg im Staatsarchiv Coburg. 16. Mai bis 8. August 2004. Coburg 2004. (= Coburger Stadtgeschichte. Band 2). S. 65; Schneier, Walter: Coburg im Spiegel der Geschichte. Von der Urzeit bis in die Gegenwart. Auf den Spuren von Fürsten, Bürgern und Bauern. Coburg 1986. S. 302.