14. September 1930: Reichstagswahlen
Am 14. September 1930 fanden im Reich und damit auch in Coburg Wahlen für den Reichstag statt. Der Wahlkampf in Coburg stand unter dem Eindruck der seit 1929 herrschenden Weltwirtschaftskrise und dem Sieg der Nationalsozialisten bei den letzten Stadtratswahlen. Die Hauptgegner im Wahlkampf waren die staatstragende SPD und die staatsablehnende rechte NSDAP. Die anderen Parteien, vor allem aber die bürgerlichen Mittelparteien Deutsche Staatspartei, BVP, DVP und das Deutsche Landvolk, spielten in Coburg eine untergeordnete Rolle. Zum Teil schwächten sie sich sogar selbst. So war das Deutsche Landvolk aus den Reihen der DNVP ausgetreten und als eigenständige Gruppierung bei der Wahl angetreten.[1]
Die SPD und die NSDAP lieferten sich keinen argumentativen Wahlkampf. Beide Parteien versuchten vielmehr durch propagandistische Maßnahmen die Wähler auf ihre Seite zu ziehen. In diesem politisch aufgeheizten Klima kam es auch immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Gruppierungen.[2]
Die Wahlen am 14. September 1930 brachten folgendes Ergebnis[3]:
KPD | SPD | Deutsche Staatspartei | BVP | DVP | DNVP | Deutsches Landvolk | NSDAP | Sonstige | |
Coburg insgesamt
Stimmen % |
1.922
4,47 |
15.492
36,00 |
1.236
2,87 |
603
1,40 |
513
1,19 |
1.727
4,01 |
4.849
11,27 |
15.530
36,09 |
1.158
2,69 |
Stadt Coburg
Stimmen % |
303
1,92 |
4.425
28,06 |
789
5,00 |
488
3,09 |
283
1,79 |
1.310
8,31 |
42
0,27 |
7.416
47,03 |
713
4,52 |
Bezirksamt Coburg
Stimmen % |
793
3,83 |
8.646
41,19 |
257
1,24 |
93
0,45 |
106
0,51 |
339
1,64 |
4.682
22,63 |
5.535
26,75 |
239
1,16 |
Stadt Neustadt bei Coburg
Stimmen % |
733
14,42 |
1.706
33,57 |
147
2,89 |
20
0,39 |
100
1,97 |
29
0,57 |
17
0,33 |
2.186
43,01 |
144
2,83 |
Stadt Rodach
Stimmen % |
93
6,25 |
715
48,02 |
43
2,89 |
2
0,13 |
24
1,61 |
49
3,29 |
108
7,25 |
393
26,39 |
62
4,16 |
Reich
Stimmen % |
4.590.453
13,13 |
8.575.699
24,53 |
1.322.028
3,78 |
1.058.711
3,03 |
1.577.411
4,51 |
2.457.572
7,03 |
1.108.334
3,17 |
6.380.465
18,25 |
7.887.133
22,56 |
Wahlberechtigte | Abgegebene Stimmen | Gültige Stimmen | Wahlbeteiligung in % | |
Coburg | 51.913 | 43.341 | 43.030 | 83,49 |
Reich | 42.957.762 | 35.226.657 | 34.957.806 | 82,00 |
Erklärungen zur Tabelle:
KPD = Kommunistische Partei Deutschlands
SPD = Sozialdemokratische Partei Deutschlands
BVP = Bayerische Volkspartei
DNVP = Deutschnationale Volkspartei
DVP = Deutsche Volkspartei
NSDAP = Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Anmerkung: Unter die Sonstigen fallen in dieser Tabelle das Zentrum und die Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei). Beide Parteien traten nicht in Bayern bzw. Coburg an oder hatten einen zu vernachlässigenden Stimmenanteil. Da sie aber zusammen addiert im restlichen Deutschland rund 5,5 Millionen Stimmen holten, ist der Wert der sonstigen Parteien in der Tabelle so hoch.
(Dass bei den dargestellten Ergebnissen der Reichstagswahl die Anzahl der gültigen Stimmen aus der ersten Tabelle nicht mit der Gesamtzahl der gültigen Stimmen aus der zweiten Tabelle übereinstimmt und auch die Prozentangaben bei den Ergebnissen für das Reich zusammenaddiert nicht 100 % ergeben, hängt damit zusammen, dass nicht alle Parteien in Coburg zur Wahl standen. In der ersten Tabelle fanden nur Parteien Berücksichtigung, die in Coburg kandidiert hatten.)
Als Gewinner der Wahl konnte sich die NSDAP sehen. Nachdem sie bei der letzten Reichstagswahl 1928 in Coburg insgesamt nur rund 20 % der Stimmen geholt hatte, waren es nun zwei Jahre später rund 36 % im Amtsbezirk und sogar 47 % in der Stadt Coburg. Bei der Anzahl der Stimmen wird der Erfolg der Nationalsozialisten sogar noch deutlicher. Im Jahr 1928 errangen sie 7.800 Stimmen, 1930 mit insgesamt 15.530 fast doppelt so viele.[4]
Der größte Verlierer der Wahl war die DNVP. Hatte sie bei den Wahlen von 1928 noch rund 27 % der Stimmen erzielt, waren es 1930 nur noch 4 % in Coburg insgesamt. Hier machte sich der Austritt des Landvolks aus der Partei bemerkbar. Doch auch wenn man die Ergebnisse der beiden Parteien addiert – was zu rund 15 % der Stimmen führt – wurde das Ergebnis der letzten Reichstagswahl weit unterschritten.
Die bürgerlichen Mittelparteien, also die Deutsche Staatspartei, die BVP und die DVP, mussten im Vergleich zur letzten Reichstagswahl nochmals Verluste hinnehmen. Sie repräsentierten in Coburg insgesamt nur noch rund 5 % der Bevölkerung. Der Prozess der Auflösung der bürgerlichen Mitte ging also in Coburg unvermindert weiter. Die Wähler entschieden sich mehrheitlich entweder für die staatstragende SPD oder die antisemitische und antidemokratische NSDAP.[5]
[1] Keller, Gunther: Coburg und die Weimarer Republik. Der Staat von Weimar im Spiegel der Coburger Wahlen von 1918 bis 1933. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen an der Universität Bayreuth. Bayreuth 1981. S. 118ff.
[2] Ebenda, S. 122f.
[3] Zahlen nach: Statistisches Reichsamt (Hrsg.): Statistik des Deutschen Reiches. Band 382. I–II. Die Wahlen zum Reichstag am 14 September 1930 (Fünfte Wahlperiode). Berlin 1932.
[4] Keller: Coburg und die Weimarer Republik. S. 127.
[5] Ebenda, S. 127.