Panzeralarm in Coburg
Es war der 10. April 1945 10.30 Uhr, helle Aufregung in Coburg, die Sirenen heulten und jeder wusste, es ist Panzeralarm. In aller Eile wurde alles, was uns irgendwie verdächtig machen könnte, zusammengesucht. Hitlerbilder, Uniformen vom Jungvolk, das Buch „Mein Kampf“ usw. Alles, was essbar oder wertvoll war, wurde irgendwie versteckt.
In allen Häusern herrschte eine gespannte Atmosphäre, vor allen unter den jungen Frauen, denn sie hatten von Vergewaltigungen gehört. Gegen Mittag schlugen auch schon die ersten Granaten in der Stadt ein. Später wurde auch die Veste beschossen, wir konnten die Einschläge sehen. Was wir nicht wussten, unser Vater, der im Krieg verwundet wurde und seit ein paar Wochen in der Heilig-Kreuz-Schule (die ja Lazarett war) lag, wurde zur Verteidigung der Veste eingeteilt. Von ihm weiß ich, dass man auf der Veste die weiße Fahne aufgezogen hatte. Nach einiger Zeit kam ein Kübelwagen auf den Hof der Veste gefahren mit einen hohen Offizier und mit SS Leuten. Der Offizier gab den Befehl, die Fahne herunterzuschießen, was auch geschah. Die Parlamentäre, die schon in Richtung Lautertal unterwegs waren, wurden zurück beordert. Als Folge wurde die Veste Coburg vom Lauterberg aus, wo die Amerikaner mit ihren Panzern und Geschützen Stellung bezogen hatten, beschossen und brannte. Bei diesem Beschuss, wäre unser Vater beinahe getroffen worden, eine Granate schlug in seiner Nähe ein und warf ihn zu Boden. Noch in dieser Nacht haben die Soldaten die Veste verlassen.
Wie saßen im Luftschutzkeller in der hintersten Ecke, neben uns die Koffer mit den eiligst zusammengesuchten wichtigsten Sachen, fest drückten wir uns an unsere Mutter, die versuchte uns zu beruhigen. Ich weiß heute nicht mehr, ob wir in dieser Nacht überhaupt geschlafen haben.
Und dann Motorengeräusch, sorgenvolle Blicke gingen zur Tür. Plötzlich Klopfen an der Haustür und als sich die Tür öffnete, stand ein Amerikaner davor und fragte in Deutsch „ Soldaten im Haus?“ Als es verneint wurde, schickte er dennoch einige seiner Kameraden ins Haus, die alle Räume durchsuchten. Als sie fertig waren, gingen sie wieder zu ihren Jeeps und fuhren weiter. Kurz danach kamen auch Panzer, die vor den Häusern Posten bezogen. So langsam verflog auch unsere Angst und wir trauten uns sehr vorsichtig aus dem Haus, um um die Ecke zu schauen. Auf den Panzern saßen Schwarze in Uniform, als sie uns Kinder sahen, winkten sie. Nur zögernd und ganz langsam gingen die Mutigsten auf die Panzer zu. Als wir sahen, dass sie etwas verschenkten, trauten auch wir uns. Es war Schokolade und etwas, was wir nicht kannten. Sehr vorsichtig öffneten wir das Päckchen, aber wir hatten keine Ahnung, was es sein könnte. Die Amerikaner sahen das und gaben uns Zeichen, es sei etwas zum Essen, sie zeigten auf dem Mund. Als wir es daraufhin versuchten, fanden wir, es schmeckt gar nicht schlecht, nur es wurde im Mund nicht weniger und zerkauen konnte man es auch nicht! Also spuckten wir es nach einiger Zeit wieder aus. Das war unsere erste Erfahrung mit der neuen Welt und ihren Errungenschaften, die wir nicht kannten. Auch die Schwarzen, vor denen sie uns Kindern Angst gemacht hatten, waren sehr kinderfreundlich und sehr nett. Unsere ersten englischen Wörter, die wir sehr schnell lernten waren
„Chewinggum, chocolate and cigarettes“ Die Amerikaner, die Zigaretten im Überfluss hatten, rauchten diese immer nur bis zur Hälfte und schmissen die Kippen weg. Wir Kinder sammelten die Kippen für unsere Väter oder als Tauschware.