Kaiser Karl haate am 8. April 1530 einen Reichstag nach Augsburg berufen, „um den Zwiespalt im heiligen Glauben und der christlichen Religion beizulegen“. Luther hegte freudige Hoffnung. Kurfürst Johann forderte von seinen Theologen eine schriftliche Aufzeichnung der evangelischen Glaubensartikel. Melanchthon, Jonas, Spalatin und Agricola nahm er dannmit sich nach Augsburg. Luther blieb auf der Veste Coburg zurück. Für ihn, der mit der Reichsacht belegt war, konnte die Zusicherung des freien Geleites nicht gefordert werden. Auch wollte ihn der Kurfürst in möglichster Nähe von AUgsburg haben, um inwichtigen Angelegenheiten Rat und Entscheidung von ihm einholen zu können. Coburg aber war der südlichste Punkt Kursachsens. Wie dereinst auf der auf der Warttburg, wohnte Luther auch hier in dem Schlosse seines fürstlichen Beschützers, auf der noch heute majestätisch in die Lande schauenden Veste. In seinen Briefen, die er von hier geschrieben hat, bediente er sich vérdeckter Benenung des Ortes, z.B. „aus Grubok“ (Umkehrung des Namens Coburg), „aus der Einöde“, „auf dem Vogelreiche“ und „aus der Versammlung der Dohlen“. Sein treuer Gefährte Veit Dietrich, der als Sekretär und Gehilfe bei ihm zurückgeblieben war, weiß nicht genug von Luthers Beständigkeit und Glaubenszuversicht zu rühmen. Kein Tag ging dahin, wo er nicht wenigstens drei Stunden betete, und manchmal so laut, dass man es draußen hören konnte. Während seines beinahe sechsmonatlichen Aufenthaltes auf der Veste hat Luther in der Stadt gepredigt und außerdem eine große literarische Tätigkeit entwickelt. So erschienen von ihm in dieser Zeit folgende Schriften: “ Die Bekenntnisse Martin Luthers, auf den jetzigen angestellten Reichstag einzulegen, in 17 Artikeln verfasst im Jahre 1530.“ Neben noch mehreren anderen theologischen Schriften förderte Luther auch fleißig seine Bibelübersetzung, überstzte verschiedene Fabeln des Äsop und schrieb eine großé Menge Briefe; nicht weniger als 119 seiner im Druck erschienenen Briefe sind auf der Veste Vobrug verfasst worden. Bezüglich der Bibelübersetzung schreibt Luther unter dem 8. Mai 1530 an Wenzeslaus Link in Nürnberg von der Veste Coburg aus: „…Sonst lebe ich hier in Ruhe und Herrlichkeit und habe angefangen, die übrigen Propheten zu verdeutschen, unter denen ich mit dem Jeremia bereits fertig bin. Vielleicht gebe ich auch einige Psalmen mit meiner Erklärung heraus, damit ich nicht umsonst hier sitze, werde auch künftig öfter an dich schreiben, wenn ich Gelegenheit hierzu habe. Aesopi Fabeln habe ich gleichfalls für junge Leute zu übersetzen vorgenommen, den Deutschen zugut“ u.s.w.
Unter dem 12. Mai schreibt Luther von der Veste an Melanchthon: „Nächst dem habe ich zwei Kapitel aus dem Ezechiel vom Gog übersetzt und eine Vorrede dazu gemacht, welche Schrift zugleich gedruckt wird. Sobald ich damit ferti war, nahm ich die Propheten vor die Hand, fing eifrig und hitzig zu arbeiten an und wollte noch vor Pfingsten alle Propheten verdeutscht haben, nebst Aesop und andern.“ Von besonderem Interesse ist von seinen Briefen der an die „Tischgesellen“ in dWittenberg gerichtete. In diesem Briefe spricht er sich über seinen Wohnsitz in nachfolgender Weise aus:
„ES ist ein Rubet (rubetum: Brombeergestrauch, Buschwerk) gleich für unserm Fenster hinunter, wie ien kleiner Wald, da haben Dohlen und Kräheneinen Reichstag hineingelegt, da ist ein solches Zu- und Abreiten, ein solch Geschrei Tag und Nacht ohne AUfhören, als wären sie alle trunken, voll undn toll; da keckt jung und alt durcheinander, dass mich wundert, wie Stimme und Oem so lange währen möge. Und möchte gerne wissen, ob auch solches Adels und reisigen Zeugs auch noch bei euch wären; mich dünkt, sie seien aus aller Welt hier versammelt.“ AUf der Veste verfasste auch Luther das herrliche Lied: „Ein feste Burg ist unser Gott“ und den lieblichen und herzinnigen Brief an sein „liebes Söhnlein Hänsichen“, das Märchen von dem schönen Jahrmarkte und lustigen Garten, darin die Kinder, die gern beten, lernen un dfromm sind, mit goldenen Röcklein springen und spielen. So wohnte Luther wohlgeborgen auf der hochragenden, weit ins Land schauenden Burg avom April bis Oktober 1530.