Der Mönch auf dem Moritzturm in Coburg
Graf Herman von Henneberg, welcher auf der Veste Coburg residierte, führte einst Krieg mit dem Bischof von Bamberg, weil dieser den Mörder seines Vaters an seinem Hofe beherbergte. In einer Schlacht nahm des Grafen Feldhauptmann 12 adelige Kinder gefangen, welche auf der Veste in Gewahrsam gehalten wurden. Die Junker, welche nicht allzu streng erzogen waren, trieben oft auf dem Schlosshofe allerlei Kurzweil. Als eines Tages der Schlosskaplan, ein finsterer Mönch, die Treppe hinab in den Hof schreiten wollte, glitt er auf der Treppe aus und fiel hin. Die mutwilligen Knappen, die, um den Mönch zu Fall zu bringen, erst vorher Erbsen auf die Treppe gestreut hatten, erhoben ein helles Gelächter. Diesen Junkerstreich nahm der Mönch sehr übel auf, ging hin zum Grafen und sagte ihm, dass unter den Gefangenen auch der Mörder seines Vaters sei. Da ließ der Graf in seinem Zorn den Scharfrichter kommen und teilte ihm mit, dass er zur Mitternachtsstunde auf dem Hochgerichte so viel Junker durch das Schwert enthaupten solle, as Hornstöße vom Turme erklingen würden. Der Türmer aber erhielt den Befehl, in der Nacht 12-mal zu tuten. Da lachten die Junker nicht mehr, sondern Schrecken und Angst kam über sie. Als dieses harte Urteil die Gräfin erfuhr, bat sie ihren Gemahl, doch den zarten Junkern das Leben zu schenken. Die innständigen Bitten der guten und frommen Frau hatten auch Erfolg, denn der Herzog befahl, dass von den 12 Junkern nur einer, nämlich der Mörder seines Vaters hingerichtet werden sollte. Doch die Gräfin, die auch den Tod des einen hindern wollte, ließ den Türmer rufen und sprach zu ihm: „Gehorche einmal dem Worte deiner gnädigsten Frau mehr als dem deines gnädigsten Herrn. Er ist heut im Zorn; morgen wird er milder sein, und wo nicht, so gebe ich dir Geld und Mittel zur Flucht. Höre denn! So dir der Graf durch einen Boten das Zeichen zum Blasen gibt, so lässest du dein Lichtlein brennen in deinem Gemach, verschließest dasselbe wohl, steigst nieder vom Turm und kommst zu mir herauf in die Burg, wo ich dich dann wohl verwahren will. Still bleibt es dann oben auf dem Turme; das Todeszeichen schweigt, und mit den Unschuldigen Häuptern wird sogar das Schuldige gerettet. Morgen wird es mir und dir mein Gemahl Dank wissen.“ Aber der rachsüchtige Mönch, der hinter einer Tapete verborgen gewesen war, hatte alles mit angehört. Kurz vor Mitternacht wurden die Junker beim Fackelschein nach dem Hochgerichte geführt, um sie mindestens die Angst des Todes empfinden zulassen. Der Türmer jedoch, befand sich wohl verborgen bei der Fürstin, die ihn mit einer Kanne des besten Weines bewirtete. Als aber die Mitternachtsglocke ihre 12 Schläge vollendet hatte, erscholl ein langer trauriger Hornruf durch die Luft vom Turm, und 12-mal rief es, und auf jeden Ruf sank das Haupt eines Jünglings. Da eilte der Graf voll Zorn in die Stadt nach dem Turme und fand statt des Türmers den rachsüchtigen Mönch, welcher mit gellender Stimme in die schauerliche Nacht hinausrief: „Buben, ich habe euch vergolten! Ihr höhnt mich nicht mehr. Wusstet ihr nicht, dass es gefährlich ist, einen Mann Gottes zu erzürnen? Wusstet ihr nicht, dass ein Mönch niemals verzeiht? Wie lieblich euer Gelächter klang in der Halle und euer kosendes Gerede! Jetzt koset auf dem Rabensteine mit den flatternden Raben und Eulen. Ihr habt eine Ewigkeit Zeit dazu.“ Da ergrimmte der Graf, packte den Mönch und warf ihn vom Turme hinunter, dass sein Leichnam zerschellte. Seitdem umwandelt der gespenstische Mönch zur Mitternacht mit einem Schlüsselbunde, Wächterhorn und Rosenkranz den Turm. Wenn aber der Stadt Unheil droht, dann tutet er auf eine schauerliche Weise. Es ist nicht gut, wenn man dem Mönch begegnet.