Coburg und seine Polizei – Französische Besatzung und 19. Jahrhundert

Von Hans-Jürgen Schmidt, Helmut Götz und Wolfgang Schneider, Coburg

1806 kam es durch den Einzug der französischen Truppen zu einem Besatzungsregime. Die Proklamation der Besatzer von 1807 ist im Faksimile im Stadtarchiv Coburg nachzulesen. Darin heißt es in deutscher Übersetzung auszugsweise: „Einigkeit und Polizei werden erhalten. Die väterliche Administration behält ihren regelmäßigen Gang und die Gerichtsbehörden bleiben ungestört. Jeder Ruhestörer wird eingezogen und nach der Strenge der Militär-Gesetze bestrafet.“ Die Proklamation trug die Unterschriften von Parigot (Bataillonchef, zugleich Kommandant) und Billain (Inspector).

Als Polizeiinspektor diente von 1806 bis 1810 Philipp Eberhardt (1759 – 1810) in Coburg. Sein Sohn Georg Friedrich Christian Eberhardt (1791 – 1852) war nach dem Tod des Vaters 1810 zwar nicht gleich sein Nachfolger geworden, aber er wurde Polizeimeister. Seine Karriere im öffentlichen Dienst begann jedoch schon im Alter von 14 Jahren am 24. März 1805 im Magistratssekretariat als Schreiber und Kopist. Als jedoch in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1806 in Coburg die französischen Truppen einzogen, wurde Eberhardt, der über gute französische und italienische Sprachkenntnisse verfügte, in wichtiger Funktion eingesetzt. Er beschreibt die Situation wie folgt: „Mit der Lokalität allhier genau bekannt und unter allen Angestellten beym Magistrat der jüngste und Arbeitslustigste, musste ich in der allgemeinen Verwirrung und Bestürzung die Einquartierung der angekommenen französischen Husaren bewirken und diese mühe- und gefahrvollen Geschäfte von jenem Augenblick bis zur gänzlichen Wiederkehr der friedlichen Verhältnisse fast ohne […] Hülfe und Unterstützung versehen. Die meisten Glieder des Magistrats wussten sich von dem lästigen Einquartierung- und Marschwesen loszumachen. Mir hingegen wurde eine Last, unter der ich beinahe erlegen wäre, aufgebürdet […].“ Eberhardt war beim Einmarsch der Franzosen also gerade 15 Jahre alt!

1813 jedoch wurde der 22jährige Friedrich Eberhardt Polizeiinspektor von Coburg. Sein direkter Vorgesetzter war bis 1828 der Polizeidirektor Ortloff, der ihm nicht immer wohl gesonnen war, wie Eberhardt berichtet. Als sich Eberhardt 1828 nach dem Tod Ortloffs um dessen Nachfolge bemühte, wurde ihm jedoch von der herzoglichen Verwaltung der Geheime Landesregierungsrat von Gruner vorgezogen.

Eberhardt bewarb sich daraufhin für das Amt eines Polizeirates in Gotha. Sein Wirken in Coburg wird am besten durch das vom Coburger Magistrat ausgestellte Zeugnis deutlich: „Der Magistrat der Herzoglichen Residenzstadt bezeugt dem Herrn Polizeyinspektor Eberhardt […], dass derselbe ein Polizeybeamter von entschiedener Fähigkeit für sein Amt, dem er mit vieler Geschicklichkeit und raßtloser Thätigkeit vorsteht, sich im Bezug auf die Gründung gemeinnütziger und Wohlthätigkeitsanstalten in hiesiger Stadt, und namentlich des Frauenvereins, die Sonntagsschule, die Sparkasse, die Spitalanstalt, des Hülfsvereins, des Gewerbevereins, die Organisation des Armenwesens und der Feuerlöschungs- und Rettungsanstalten auf eine vorzügliche Weise verdient gemacht und durch die stete Wachsamkeit und Aufsicht auf Streuner und Gauner für die öffentliche Sicherheit sehr wohlthätig gewürkt hat.“ Der Inhalt des Zeugnisses macht die große Bandbreite der polizeilichen Zuständigkeit zu dieser Zeit deutlich. Wobei man durchaus sagen kann, dass die polizeiliche Präventionsarbeit als notwendig erkannt und durch Aktivität im sozialen Bereich erfüllt wurde.

1828 erschien Friedrich Eberhardts Buch „Polizeyliche Nachrichten von Gaunern, Räubern und Landsrereichern, ein Hülfsbuch für Polizey- und Kriminalbeamte, Gendarmen usw.“ Die große Nachfrage führte zu zwei weiteren Bänden die 1833 und 1835 folgten. 1835 begann er außerdem mit der Herrausgabe einer Zeitung mit dem Titel „Allgemeiner Polizey-Anzeiger“, der bis 1922 erschien.

Am 18. Februar schied Eberhardt aus dem Coburger Dienst und wurde Polizeirat und „Oberpolizeicommissair“ in Gotha. Um 1850 wechselte er als Königlich Sächsischer Regierungsrat ins Ministerium des Innern des Königreiches Sachsen. 1852 verstorben, wurde er in Coburg auf dem Salvatorfriedhof beigesetzt. Die Polizeitradition der Familie wurde übrigens durch den Sohn Paul Eduard Eberhardt fortgesetzt, der nach 1840 als „2. Polizeicommissair“ in Coburg tätig war.

Im September 1832 erhielt die Polizeidirektion in Coburg vom Justizamt Neustadt Berichte über aufrührerische Aktivitäten. Daraufhin kam es zu Verhaftungen. Die Garnison in Coburg wurde verstärkt. Für die Einstellung der damaligen Obrigkeit spricht ein Zitat aus einem amtlichen Verweis des preußischen Innenministeriums von 1837: „Dem Untertan ziemt es nicht, an die Handlungen des Staatsoberhauptes den Maßstab seiner beschränkten Einsicht anzulegen und sich in dünkelhaftem Übermute ein öffentliches Urteil über die Rechtmäßigkeit derselben anzumaßen […].“

Im Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld, ab 1826 Doppelherzogtum Sachsen-Coburg und Gotha, versah bis zum Jahre 1834 über 100 Soldaten des hier stationierten Linienbataillons des Polizeidienst auf dem flachen Land. Gegen den Widerstand des Coburger Landtages änderte Herzog Ernst I. (1806-1844) dies und errichtete eine Gendarmeriebrigade für das Herzogtum unter Führung eines von Gotha abkommandierten Wachtmeisters. So versahen 1840 ein Wachtmeister und acht Gendarmen den Polizeidienst in Coburg. Als Vorsteher im Magistrat der Stadt amtierte der Polizeibürgermeister mit dem Titel eines Polizeidirektors.

Nach wie vor herrschten strenge Sitten und Gebräuche innerhalb der Stadtmauern. Zum damaligen Zeitpunkt umfasste der Aufgabenbereich der städtischen Coburger Polizei elf Gruppen:

  1. Sicherheitspolizei,
  2. Polizei wider Unglück,
  3. Gesundheitspolizei,
  4. Sittlichkeitspolizei,
  5. Vergnügungs- und Anstandspolizei,
  6. Feuerpolizei,
  7. Handels- und Gewerbspolizei,
  8. Landwirtschaftliche Polizei,
  9. Aufsicht auf Abgaben und Steuern,
  10. Straßenpolizei,
  11. Jagd-, Forst-, Feld- und Gartenpolizei.

Bei der Entwicklung in Coburg spielte der 1844 erfolgte Amtsantritt des als liberal angesehenen Herzog Ernst II. eine wichtige Rolle. Unter seinem absolutistischeren Vater Ernst I. wäre die Revolution 1848 in Coburg anders abgelaufen.

1848 kam es im Rahmen der Reformen zur Einführung eines Kriminalgesetzbuches und einer neuen Kriminalprozessordnung. Außerdem kam es 1848 zur Aufstellung einer Bürgergarde, deren Einsatz zusammen mit der Polizei im April bis Juli 1848 erfolgte (Coburger Juli-Revolution). Im September 1850 nahte das Ende der Bürgergarde, da der Eifer der Bürger erlahmte; eine offizielle Auflösung der Bürgergarde erfolgte nicht.

Am 2. Mai 1852 trat in Coburg ein neues Staatsgrundgesetz in Kraft. In ihm findet man zahlreiches Gedankengut unseres heutigen Grundsgesetzes. In Coburg wurde zu dieser Zeit offiziell neben der herzoglichen Fahne auch die ansonsten im Deutschen Bund verbotene schwarz-rot-goldene Fahne geführt.

1865 bestand die Coburger Polizei aus einem Kommissär, einem Wachtmeister und sechs Polizeidienern.

1873, zwei Jahre nach Gründung des zweiten Deutschen Reiches, wurde der Nachtwachdienst neu organisiert. Die Aufgaben der Nachtwächter übernahm nunmehr eine Schutzmannschaft in Stärke von 12 Personen.

Ab 1885 sorgten ein Kommissär und acht Sergeanten für die Sicherheit der Coburger Bevölkerung 1890 waren ein Wachtmeister und zwei Gendarme in Coburg stationiert, acht weitere Gendarme im Herzogtum Coburg. 1901 waren es ein Oberwachtmeister und ein Gendarm in Coburg sowie zehn weitere im Herzogtum.

Im 1900 wurde erstmalig die Planstelle eines Kriminalbeamten geschaffen.

Nach 1878 zeigten sich die Auswirkungen des Sozialistengesetzes: Ein gewisser Jens Lauritz Christensen, der aus Schleswig-Holstein stammte, im Reichstagswahlkreis Sonneberg-Saalfeld als SPD-Kandidat aufgestellt war und Sonneberg verlassen musste, kam über Neustadt nach Coburg. Der Magistrat berichtete dem Staatsministerium am 9. Juni 1887, Christensen wolle hier im sozialdemokratischen Sinn agieren. Das Staatsministerium ordnete die sofortige Ausweisung an. Die Verfügung wurde am 11. Juni eröffnet und eine Frist von zwei Stunden gesetzt. Da auch in der verlängerten Fristzeit von fünf Stunden kein Zug fuhr, musste Christensen Coburg zu Fuß verlassen. Auch aus Neustadt musste er sich entfernen und das Herzogtum unter Begleitung der Gendarmerie bei Meilschnitz verlassen.

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Info: EPHK a.D. Hans-Jürgen Schmidt, Jg. 1937, gehörte von 1956 bis 1997 dem Bundesgrenzschutz an und war langjähriger Einsatz und Ausbildungshundertschaftsführer.

Helmut Götz, Jg. 1934, trat 1953 in die Bayerische Bereitschaftspolizei ein und versah danach Dienst als Stationsbeamter der Bayerischen Landpolizei. Ab 1958 gehörte er der Stadtpolizei Coburg an, zuletzt als Leiter der Schutzpolizei. Von 1972 bis zu seinem Ruhestand 1994 leitete er die Station Coburg-Stadt der Bayerischen Landespolizei.

PHK a.D. Wolfgang Schneider, Jg. 1947, versah von 1968 bis 1999 Dienst im Bundesgrenzschutz.