Coburg und seine Polizei – Weimarer Republik

Von Hans-Jürgen Schmidt, Helmut Götz und Wolfgang Schneider, Coburg

Auch die schweren Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg, als der ehemalige Teilstaat Sachsen-Coburg zum Freistaat Coburg geworden war, insbesondere die so genannten „Lebensmittelunruhen“ von 1920, stellten extrem hohe Anforderungen an die städtischen Polizeibeamten. Die Personalknappheit war offenkundig, die Polizei war kaum in der Lage, Sicherheit und Ordnung in der Öffentlichkeit ausreichend zu gewährleisten. Ende Januar 1919 zählte man 24 Polizeibeamte.

Am 25. April 1919 wurde durch Reichswehrminister Noske die Aufstellung von Selbstschutzorganisationen angeordnet. Diese Anordnung wurde durch das Staatsministerium Coburg und die Stadt Coburg umgesetzt.

Am 1. Juni 1919 wurde eine Einwohnerwehr unter Leitung von Direktor Fritz Dürr gegründet. Diese setzte sich anfangs aus 120 Mann vor allem aus den Sportvereinen Turngenossenschaft, Männerturnverein und Verein für Bewegungsspiele zusammen. Später wuchs sie auf 200 Mann. Auch in 98 Landorten wurden Einwohnerwehren gegründet. Ihre Aufgabe war die Unterstützung der Polizei, jedoch wurde in Coburg nie ein Einsatz erforderlich.

Alle Einwohnerwehren waren der Zentralstelle für Einwohnerwehren beim Ministerium des Innern in Berlin unterstellt. Auf Druck der Siegermächte musste diese Zentralstelle im April 1920 aufgelöst werden. Auf Grund des Abkommens von Spa am 9. Juli 1920 trat der größte Teil der Einwohnerwehren dem bayerischen Landesverband der Einwohnerwehren bei. Die Stadtwehr Coburg wuchs unter Leitung von Studienrat Dr. Gerstenmeier auf ca. 900 Mann an. Am 1. Juni 1921 gab es in 102 Gemeinden des Bezirksamtes Coburg mehr als 4000 Wehrmänner. Die Bewaffnung bestand aus 98 Gewehren und je Mann 30 Patronen, in Coburg auch drei Maschinengewehre. Erkennbar waren die Wehrmänner an weiß-blauen Armbinden und Waffenscheinen. Auf Druck der Entente ordnete die Reichsregierung am 4. Juni 1921 die Entwaffnung und Auflösung der Einwohnerwehren an. Bis zum 30. Juni musste die vollständige Entwaffnung durchgeführt werden.

1922, nachdem das Coburger Land durch eine Volksabstimmung seit 1. Juli 1920 Teil des Freistaates Bayern geworden war, wurde die Gesamtstärke der Stadtpolizei mit 35 Mann angegeben. Darin enthalten war auch die Verwaltungspolizei.

In Bayern wurde aufgrund der inneren Unruhen im Freistaat und im Reich ab 12. September 1919 neben den Schutzmannschaften der kreisunmittelbaren Städte und der auf dem flachen Land bestehenden Gendarmerie eine nach militärischen Grundsätzen geführte und kasernierte „Polizeiwehr“ aufgebaut, die im Zusammenhang mit dem Berliner „Kapp-Putsch“ im März 1920 in München und Nürnberg eingesetzt wurde. Dieser Vorläufer der heutigen Bereitschaftspolizei wurde am 22. November 1920 in München und Nürnberg eingesetzt. Dieser Vorläufer der heutigen Bereitschaftspolizei wurde am 22. November 1920 in „Bayerische Landespolizei“ umbenannt und zerschlug am 9. November 1923 den „Hitlerputsch“ vor der Feldherrnhalle in München.

Auch das Polizeiamt Coburg, die Coburger Stadtpolizei, war wie aus den Unterlagen des Stadtarchivs ersichtlich, in den Jahren nach 1918 nicht mehr in der Lage, ohne Unterstützung durch die Staatsregierung die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausreichend zu gewährleisten. So wurde im Dezember 1920 in Bamberg eine „Coburger Hundertschaft“ der „grünen“ Landespolizei aufgestellt und vom 10. Mai bis Dezember 1921 als „Kommando der Landespolizei“ nach Coburg in die ehemalige Kaserne des 6. Thüringischen Infanterieregimentes Nr. 95 (von-Selle-Kaserne) verlegt. Sie unterstand sowohl dem Regierungspräsidium Oberfranken als auch dem Kommando der Landespolizei Bayreuth und verfügte über eigene Kraftfahrer, Nachrichtenleute sowie eine Verwaltungsstelle.

Ihre Chefs waren vom 10. Mai 1921 bis zum 30. November 1929 der Polizeihauptmann und spätere Major Hans Bernhardt und vom 1. Dezember 1929 bis zum 16. Oktober 1933 der Polizeioberleutnant (später Hauptmann) Hans Siegel. Die Stärke betrug im Mai 1921 drei Offiziere, ein Sekretär und 127 Wachtmeister, im Dezember 1924 zwei Offiziere, ein Sekretär und 137 Wachtmeister und im Dezember 1929 ein Offizier, ein Sekretär und 60 Wachtmeister.

Bereits Ende 1920 hatte ein Kommando der Landespolizei in Rodach b. Coburg den Schutz von Arbeitswilligen einer Porzellanfabrik übernommen. Dieses Kommando der Landespolizei – Coburg – wurde am 16. März 1933 aufgelöst, zur Landespolizei Augsburg versetzt und zur Neuaufstellung der 13. Hundertschaft verwandt.

Am 3. September 1921 kam es auch der Ermordung Erzbergers zu einem polizeilichen Großeinsatz anlässlich einer sozialdemokratischen Demonstration von USPD und SPD. Zur Verstärkung wurde eine Hundertschaft der Sicherheitspolizei und eine 50 Mann umfassende Radfahrabteilung von der Bezirksregierung entsandt. Es kam neben Schusswaffengebrauch auch zum Einsatz von Handgranaten. Von 20 Verletzten mussten sechs ins Krankenhaus, ein Verletzter starb. Der materielle Schaden wurde mit 50.000 Mark Sachschaden und 9.000 Mark Personenschaden angegeben.

Vom 13. bis 16. Oktober 1922 führte die NSDAP mit Hitler ihren dritten „Deutschen Tag“, den „Marsch auf Coburg“ durch. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei/Landespolizei und politischen Gegnern. Hitler erwähnt die Ereignisse in „seinem lieben Coburg“ auch in seinem Buch „Mein Kampf“.

Bei Neustadt/Coburg überschritten bewaffnete kommunistische Kampfeinheiten aus Thüringen die bayerische Grenze. Dies führte im Rahmen des „Nordbayerischen Grenzschutzes“ zum Schusswaffengebrauch durch das Coburger Kommando der Landespolizei.

1923 wurde die erste Coburg Stützpunkt des Nordbayerischen Grenzschutzes, der „Polizeilichen Nothilfe / Notpolizei“. Der Kommandant auf der Veste war Kapitänleutnant Ehrhardt, dessen Männer auch Übergriffe auf jüdische Geschäftsleute verübten.

Bei einer Großfahndung nach dem Raubmörder Hein wurden neben Polizeieinheiten aus Lichtenfels und Staffelstein auch Polizeibeamte aus Coburg eingesetzt. Am 2. Februar 1928 erschoss Hein den Kommandanten der Polizeistation Untersiemau und flüchtete nach einem Schusswechsel mit der Polizei in den Banzer Wald. Am 4. Februar wurde er bei Weingarten festgenommen, als er den Wald verließ. Das zweifache Todesurteil durch das Landgericht Coburg wurde schließlich in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt.

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Info: EPHK a.D. Hans-Jürgen Schmidt, Jg. 1937, gehörte von 1956 bis 1997 dem Bundesgrenzschutz an und war langjähriger Einsatz und Ausbildungshundertschaftsführer.

Helmut Götz, Jg. 1934, trat 1953 in die Bayerische Bereitschaftspolizei ein und versah danach Dienst als Stationsbeamter der Bayerischen Landpolizei. Ab 1958 gehörte er der Stadtpolizei Coburg an, zuletzt als Leiter der Schutzpolizei. Von 1972 bis zu seinem Ruhestand 1994 leitete er die Station Coburg-Stadt der Bayerischen Landespolizei.

PHK a.D. Wolfgang Schneider, Jg. 1947, versah von 1968 bis 1999 Dienst im Bundesgrenzschutz.