Die stumme Pracht: Vogelsammlungen – Teil II
August Schambergers Enkel führen im Jahr 1925 einen Wanderfalken (l.) und einen Baumfalken (r.) sowie den Puma vor.
Der Lehrer August A. Schamberger (1854 – 1931) war ein vielbeschäftigter Mann. Zusammen mit einem zweiten Lehrer unterrichtete mein Urgroßvater die Schuljugend von Seidmannsdorf und mehrerer Nachbarorte, begleitete als Organist den Gottesdienst in der Kirche, war Gemeindeschreiber, Standesbeamter und Kassenführer beim Raiffeisenverband, Mitglied des Coburger Gartenbau- und des Lehrergesangvereins, Bienen- und Rosenzüchter. Am Samstagnachmittag suchte Schamberger regelmäßig den Lehrerstammtisch in der „Loreley“ auf; der Sonntag war Wanderungen mit der Familie und Freunden vorbehalten.
Vermutlich war es dem unermüdlichen Arbeitseinsatz meiner Urgroßmutter zu verdanken, dass er sich trotzdem viel Zeit für seine Liebhaberei, die Vogelkunde, nehmen konnte. Wie auf dem Dorf üblich, erzog sie die beiden Söhne, versorgte den Haushalt, das Vieh und war auch für die Feldarbeit zuständig. Nur im Naturkunderaum der Schule war ihre Hilfe nicht erwünscht. Dort hatte ihr Ehemann die große Sammlung von ausgestopften Vögeln, aber auch von lebensnah präparierten Mardern und Wieseln, untergebracht, und dort erteilte Schamberger den Naturkundeunterricht für die Jungen und Mädchen.
Schon der junge Lehrer hatte Kontakt mit den Direktoren des Naturkundemuseums bzw. dessen Vorläufers: Prof. Joseph Erhard und Adam Brückner. Letzterer, ein Schulfreund Schambergers, griff in seinem Buch „Die Tierwelt des Coburger Landes“ auch auf die Erkenntnisse des Seidmannsdorfer Lehrers zurück. Mit beiden Direktoren verband ihn eine lebenslange Freundschaft, und das bezog auch den Austausch von Tieren zwischen der Herzoglichen und der Lehrer-Sammlung ein.
Besonders reiche Ernte fuhr Schamberger ein, als er Museumsdirektor Brückner im Jahre 1921 half, einen Teil der 3000 Vögel umfassenden Sammlung des Forstmeisters Oskar Tellgmann aus Wildenheid bei Sonneberg in die Museumsbestände einzugliedern. Als Lohn für die Arbeit erhielt Schamberger viele ausgestopfte „Segler der Lüfte“, darunter soll auch das erwähnte Hochzeitsgeschenk, Schreiadler und Taube, gewesen sein.
Auch ein ausgestopftes Säugetier, ein Puma oder südamerikanischer Silberlöwe, gelangte so in seine Sammlung. Dieser war 1874 in einer Wandermenagerie, die während des Vogelschießens auf dem Coburger Schützenplatz gezeigt wurde, eingegangen. Das tote Tier war dem Herzoglichen Naturaliencabinet überlassen worden, und von hier wanderte es für eine gewisse Zeit nach Seidmannsdorf ins Schulhaus. Auf einem Familienfoto von 1925 ist die große Katze, ihre Raubtierzähne bleckend und mit drohend aufgerichteten Schwanz, zu sehen.
Doch mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben und erst recht nach dem Tod des Dorfschullehrers ging es der Tiersammlung wie mit vielen zu Lebzeiten des Besitzers hochgeschätzten Sammlungen. Der Naturkunderaum im Schulhaus musste geräumt werden, die Nachfahren wussten nicht, wohin mit der stummen Pracht. Und es fand sich vor allem kein Käufer, denn damals, 1931, kamen ausgestopfte Tiere aus der Mode. Der Puma wurde ins Museum zurückgegeben und steht bis heute im Herzogin-Auguste-Saal.
Schließlich erwarb die Schulabteilung der Stadt Coburg für – wie der Sohn fand – lächerliche 600 Mark die gesamte Sammlung. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.