Selma und Julius Weiß, geb. 1884 / Mohrenstraße 1a
Mohrenstraße 1a.
Hier wohnten Selma und Julius Weiß.
Selma Weiß, geborene Kohnlein, kam am 13. November 1884 in Beyersbach auf die Welt, Julius Weiß am 20. April 1881 in Pawlowitz. Seit 1920 lebte das Ehepaar in Coburg. Den beiden gehörte ein Schuhgeschäft in der Spitalgasse 5.
Schon Anfang der 30 er Jahre kam es immer wieder zu Angriffen auf jüdische Mitbürger in der Vestestadt. Julius Weiß gehörte zu den Augenzeugen. Er berichtete der Polizei: „Am Dienstag, den 23 Juni 1931, und Mittwoch, den 24. Juni, sowie am Donnerstag, den 25. Juni, abends gegen 7 Uhr wurden in der Spitalgasse jüdische Geschäftsleute sowie Frauen von einem Trupp junger Burschen mit Hakenkreuz in gemeinster Weise angerempelt und mit den Worten beschimpft wie „Saujude“ usw.“
Solche Vorfällen waren nur der Anfang: Am Samstag, 1. April 1933, kam es zur ersten Boykott-Aktion in Coburg: Ab 9:30 Uhr besetzen Mitglieder der SA alle Eingänge zu den jüdischen Geschäftshäusern und brachten Plakate und Schrifttafeln mit antijüdischen Parolen in der Fußgängerzone an. Davon betroffen war auch das Schuhgeschäft der Familie Weiß. Die Kundschaft blieb aus und das Geschäft geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Nach der Reichspogromnacht und der daraufhin ausgerufenen Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben vom 12. November 1938, musste das Ehepaar Weiß sein Geschäft aufgeben. Die Zeitung „Bayerische Ostmark“ meldete im Januar 1939: „Die jüdischen Geschäfte haben mit dem 1. Januar in Coburg aufgehört zu existieren.“
Wem es irgendwie möglich war, der verließ spätestens zu diesem Zeitpunkt die Stadt. Allerdings wurde es immer schwieriger einen Zufluchtsort zu finden, da kaum noch ein Land Juden aufnehmen wollte. Im Februar 1939 lebten noch 39 jüdische Familien in Coburg, darunter auch die Familie Weiß. Im Oktober 1940 richteten die Nazis so genannte Judenhäuser ein. Selma und Julius Weiß wurden gezwungen, von hier aus- und in den Steinweg 15 umzuziehen. 1941 wurde Julius Weiß zur Zwangsarbeit in einer Fabrik verpflichtet. Ab dem 23. Oktober 1941 waren den Juden alle Fluchtwege versperrt. Ein Gesetz verbot ihnen, aus Coburg auszuwandern. Im November 1941 wurden Selma und Julius Weiß „umgesiedelt“, beziehungsweise „evakuiert“, wie es in der Tarnsprache des Dritten Reiches hieß. In Wahrheit wurden die beiden am 27. November nach Nürnberg gebracht und von mit dem Zug nach Riga ins KZ deportiert. Von dort kehrten die beiden nie wieder zurück. Ihr Todestag wurde nach dem Krieg auf den 31. Dezember 1945 datiert.
Pate: Dagmar Escher