1932-1933: Die Schließung der Coburger Synagoge

Die Nikolaikirche, erbaut 1442 im Zusammenhang mit einem Siechenhaus, war zwischen 1806 und 1860 Coburgs katholische Kirche gewesen. Nachdem sich die Katholiken eine neue Kirche erbaut hatten, stand sie bis 1873 leer. In diesem Jahr wandte sich die israelitische Kultusgemeinde an die Stadt Coburg mit der Bitte, ihr die unbenutzte Nikolaikirche als Synagoge zu überlassen. Die Stadt überließ die Kirche daraufhin der jüdischen Gemeinde unter den Bedingungen, dass die Stadt ein jährliches Kündigungsrecht habe und die Gemeinde für die Instandhaltung der Kirche/Synagoge verantwortlich sei. [1]

Ende 1931 wurde der Mietvertrag zwischen der jüdischen Gemeinde und der Stadt Coburg von der NS-Stadtverwaltung gekündigt.[2] Als Begründung für die Auflösung des Mietverhältnisses führte der Vertreter der Stadt, Rechtsanwalt Otto Schmidt, an: „Für die Kündigung war vielmehr ausschlaggebend, daß der Stadtrat einer Deutschen und christlichen Stadt es unmöglich verantworten kann, eine christliche Kirche den Juden weiterhin zu überlassen. Wenn der Stadtrat im Jahre 1873 geglaubt hatte, die Nikolaikirche den Juden zur Ausübung und Pflege ihrer Religionslehre überlassen zu können, dann war dies nur deswegen möglich, weil der damals lebenden Generation infolge des seit der Juden-Emanzipation ständig steigenden Einflusses des Judentums und infolge dessen Vertarnung jedes Gefühl für die Gefahr dieses Fremdkörpers und jede Kenntnis von der jüdischen Religionslehre abhandengekommen war.“[3]

Ausschlaggebend für die Kündigung des Mietverhältnisses war die neue, nationalsozialistische antisemitische Weltsicht, die in Coburg spätestens seit der Wahl des NSDAP-Mannes Franz Schwede zum Ersten Bürgermeister 1931 vorherrschte.[4]

Die jüdische Gemeinde versuchte sich gegen die Kündigung zu wehren. Sie klagte gegen die Stadtverwaltung vor dem Landgericht Coburg. Der sich hinziehende Prozess wurde jedoch von den politischen Ereignissen auf Reichsebene überholt. Denn am 30. Januar 1933 war Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden und die Nationalsozialisten begannen in Deutschland die Macht zu übernehmen. Die Klage der jüdischen Gemeinde wurde daher abgewiesen. Am 16. März 1933 wurde die Synagoge geschlossen. [5]

Die Auseinandersetzungen zwischen der israelitischen Kultusgemeinde und der Stadt gingen aber weiter, da die Stadt 6.000 Mark von der Gemeinde zur Wiederinstandsetzung haben wollte. Die Kultusgemeinde zahlte aber vorerst nur 3.000 Mark, der Rest sollte nach Beginn der Arbeiten beglichen werden. Da sich aber noch der Thoraschrein und weitere Gegenstände in der Nikolaikirche befanden, die der jüdischen Gemeinde gehörten, hatten die Nationalsozialisten ein Druckmittel. Der Gemeinde blieb schlussendlich nichts anderes übrig, als den Gesamtbetrag zu bezahlen.[6]

Angemerkt sei hier noch, dass die Nikolaikirche, seit sie in jüdischem Besitz war, mehrfach beschädigt worden war. Schon 1923 waren mehrere Fenster durch Steinwürfe zertrümmert worden. Dies war aber nur ein Einzelfall gewesen. Regelmäßige Angriffe auf die Synagoge traten ab dem Jahr 1929 auf. Die „Reichspogromnacht“ überstand die Nikolaikirche jedoch unbeschadet, da sie schon längst nicht mehr als Synagoge genutzt wurde.[7]


[1] Fromm, Hubert: Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal. Coburg 2001. S. 186; S. 145 S. 84.

[2] „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Katalog zur Ausstellung der Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. und des Stadtarchivs Coburg im Staatsarchiv Coburg. 16. Mai bis 8. August 2004. Coburg 2004. (= Coburger Stadtgeschichte. Band 2). S. 84;Fromm: Die Coburger Juden. S. 192.

[3] Zitiert nach: Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922-1933. Frankfurt/Main 2005. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 1008). S. 145 und Fromm: Die Coburger Juden. S. 193.

[4] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 145.

[5] Fromm: Die Coburger Juden. S. 194.

[6] Ebenda, S. 195.

[7] Ebenda, S. 192, 196.