Bratwurstduft am Bahnhof
Ein Beitrag von Ursula Bröcheler
Paula Pilling und Kinder am Bratwurststand 1951 (Foto: privat).
Von 1931 bis 1959 bewirtschaftete meine Familie, Großmutter Alma Pilling mit Sohn und Schwiegertochter, die Coburger-Bahnhofsgaststätte. In den 50er Jahren gehörte, wie könnte es anders sein, auch ein Bratwurststand dazu. Die Coburger Bratwurst, Alt-Coburgern muss man das nicht erklären, wird im sogenannten „Schleiß“, einem von seiner Fettschicht befreitem Dünndarm des Schweins abgefüllt und über einem offenen Feuer aus „Kühla“, das sind trockene Kiefernzapfen, die der Wurst ihren besonderen Geschmack verleihen, gebraten.
Diese „Kühla“ wurden im Sommer als kompletter Jahresvorrat im hauseigenen Keller gelagert. Gesammelt, per LKW angeliefert und in den Keller verfrachtet wurden sie von Lieferanten aus dem Umland.
Schon früh am Morgen bereitete sich unsere liebe Frau Gloge auf den täglichen Ansturm vor. Einen Tagesvorrat an „Kühla“ aus dem Keller holen, Rostbesteck, Senf und Semmeln wurden bereitgestellt, dann ein gutes Feuer entfacht, so war sie gerüstet für die ersten Esser, die mit dem Zug aus dem Umland eintrafen und sich eine Stärkung für 40 Pfg. leisteten. So lief das Geschäft bis zum Abend.
Der Bratwurstlieferant war die Fleischerei Ernst Weschefelder. Die Semmeln wurden im wöchentlichen Wechsel von der Bäckerei Holland bzw. Oberender per Fahrrad angeliefert
Hektisch wurde es an den verkaufsoffenen Sonntagen in der Vorweihnachtszeit, an denen sehr viele Besucher in die Stadt kamen. Da standen zwei Personen im Stand, um den Ansturm zu bewältigen.
An einem besonders kalten Dezembersonntag, wir kamen gerade von einem Weihnachtsmärchen aus dem Theater zurück, da fuhr die Feuerwehr mit großem Getöse die Mohrenstraße hinunter, wir mit einem unguten Gefühl hinterher, und dann sah man schon den Feuerschein vor dem Bahnhof! Das Feuer unter den Bratwürsten war wohl etwas zu gut genährt, die Flamme hat die Zeltplane erreicht und in Brand gesetzt; da gab es nichts mehr zu retten, am nächsten Morgen stand ein verkohltes Standgerippe in der eisigen Luft.
Mit einem neuen Stand ging es weiter und meine Mutter, aus dem Rheinland stammend, meinte, sie müsste den Coburger etwas Besonderes bieten. Von einem Besuch in Düsseldorf brachte sie ein Eimerchen Düsseldorfer Löwensenf mit, scharf – scharf – scharf! Der lag den Coburgern aber nicht so! Überall hing der vermeintlich gute Senf an den Wänden vom Bahnhof und Bratwurststand; ein gut gemeintes aber peinlich ausgegangenes Genusserlebnis, das umgehend beendet wurde.