Max Schamberger: Eine Grabstätte
Der eine gefallene „Unteroffz.“ ist Max Schamberger. Er stirbt als einer der ersten im Regiment an einem verhältnismäßig ruhigen Abschnitt an der Westfront.
Es muss aber etwas Besonderes um den Lehrer in Uniform sein, denn das Militär widmet ihm zwei Nachrufe.
Der Kommandeur des III. Bataillons seines Regiments schreibt in der „Magdeburger Zeitung“:
„Voller Begeisterung zog er freiwillig in das Feld hinaus. Strenge Pflichtauffassung und die Kameradschaft erwarben ihm schnell die Achtung und Zuneigung seiner Vorgesetzten und Kameraden. Sein Name ist mit der Geschichte des Regiments auf ewig verbunden.“
Sein Kompanieführer widmet ihm folgendes Kapitel in der „Champagne-Kriegszeitung“:
„Ein Kriegsfreiwilliger, von zarter Gesundheit, weit über dreißig, zu Beginn des Stellungskampfes ins Feld gezogen, unterzog sich mit einzigartiger Selbstverleugnung in treuester Kameradschaft mit jedermann jedes Feldpaket teilend, den unsäglichen Mühen des Schützengraben-, Schanz- und Entwässerungsdienstes, nicht achtend des auf der Kompaniefront fast täglich heftig ruhenden Artilleriefeuers, zufolgedessen er nicht nur einmal Wunden sehen sondern auch lieben Kameraden das Ehrengeleit zum Heldenfriedhof mitgeben mußte.
Was stellte sich, als ihn eine heimtückische Granate in den Argonnen in die kühle Erde dieses undeutschen, ungepflegten Waldes selbst bettete, als sein lebendiges Vermächtnis, das er schon bei Lebzeiten hatte, heraus? Von dem Augenblick an, wo er Unteroffizier geworden war, hatte er nur und ausschließlich von der Unteroffizierslöhnung gelebt. Sein ganzes Gehalt als Oberlehrer aber hatte er dem Roten Kreuz gespendet!“
Seine Kameraden begraben ihn und die anderen Toten in den Argonnen an einem kleinen Abhang in Sichtweite der in verlustreichen Schlachten errungenen Höhe 285 und des „Toten Mädchens“.
Was braucht man zur Kennzeichnung eines Soldatengrabs? Zwei abgesägte Birkenäste, kreuzartig übereinandergenagelt und abgedeckt mit einem Blechstreifen (Reste der Aufräumungsarbeiten?), werden zu Häupten des Toten aufgestellt, längsseits liegen als Abgrenzung zum Nachbargrab etwas dickere, roh behauene Birkenstämme.
Eine Inschrift besagt, wen man da zur vermeintlich ewigen Ruhe gebettet hat: Nicht den Soldaten, nicht den Unteroffizier, sondern den – „Oberlehrer Dr. M. Schamberger“, vielleicht unter dem Eindruck, dass Max trotz seiner feldgrauen Uniform im Krieg eher Lehrer blieb als Soldat wurde.
Ein unscharfes Schwarz-Weiß-Foto von der letzten Ruhestätte ihres Sohnes wird den Eltern in Seidmannsdorf zugestellt. Aber die Familie Schamberger mag sich mit dem armseligen Soldatengrab nicht abfinden. Doch wie soll man in der umkämpften Frontlage eine ordentliche Grabstätte herrichten?
Da erklärt sich ein Jahr später durch die Vermittlung ehemaliger Freunde der Brüder aus Seidmannsdorf ein Steinmetz, der nun seinerseits als Soldat im Argonnenwald die Front bewacht, bereit, einen Grabstein anzufertigen. Kurz bevor er „vor Verdun geworfen wird“, wie er Schambergers schreibt, gelingt es ihm, den Stein auf Erichs Grab im Argonnenwald zu platzieren. Zum Beweis schickt er ein Foto nach Seidmannsdorf, das von nun an neben Erichs Infanteristen-Bild einen Ehrenplatz in der Lehrerwohnung erhält. Es zeigt die Grabstätte mit dem Stein, einem neuen Holzkreuz und einer Grabeinfassung aus Feldsteinen. Die Inschrift auf dem Kreuz ist die alte, kündet noch immer vom Tod eines Oberlehrers. Aber auf dem Stein davor steht nun eingemeißelt für alle Zeiten – oder solange damals eben Steine auf feindlichem Boden hielten – die Aufschrift:
Hier ruht
Unteroffizier
Max Schamberger
II/184
Gef. 20. 7. 1915