1945: Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Coburg, Teil II
Die ganze Nacht zum 11. April hindurch schlugen in Coburg Geschosse ein. Unter diesem Eindruck und um unnötiges Blutvergießen zu verhindern, beschloss Sotte Unterhändler zu den Amerikanern zu schicken. Jene sollten eine Waffenruhe aushandeln, damit die Stadt und die Flüchtlinge auf der Veste evakuiert werden könnten. Für dieses Kommando meldeten sich Adolf Müller und Dr. Hans Mauer.[1]
Als die beiden die amerikanischen Linien erreicht hatten, wurden sie schnell zu einem der befehlshabenden Offiziere gebracht. Nachdem die Amerikaner erkennen mussten, dass Müller und Mauer ihnen nicht die Stadt übergeben, sondern nur eine Waffenruhe aushandeln wollten, berieten sie die ganze Nacht hindurch. Am Morgen des 12. April teilten sie Müller und Mauer dann mit, sofern die Stadt nicht bis 9.30 Uhr übergeben sei, würde die amerikanische Luftwaffe sie in Schutt und Asche legen. Dass dies jedoch nur eine leere Drohung war[2], konnten Müller und Mauer nicht wissen. Die beiden hasteten deshalb wieder zurück zur Veste. Doch kurz bevor sie dort ankamen, erfuhren sie, dass Sotte die Veste hatte räumen lassen. Der Hauptmann wollte nicht auf die erwartete ablehnende Antwort auf das Waffenstillstandsgesuch warten und entschied, sich heimlich, still und leise und vor allem unbemerkt von den Fanatikern auf der Veste abzusetzen. Dieses gelang ihm auch und die blindwütigen Nationalsozialisten mussten später ebenfalls aufgrund ihrer eigenen Schwäche abrücken. Die beiden Unterhändler eilten daraufhin wieder zurück zu den Amerikanern.[3]
Wieder bei den Amerikanern angekommen, erklärten Müller und Mauer aus eigenem Entschluss die Kapitulation Coburgs und der Veste. General George Smith Patton höchst persönlich diktierte den beiden Parlamentären die Kapitulationsbedingungen: Alle Sperren sind zu entfernen; aus allen Häusern müssen weiße Fahnen hängen; die Stadt und die Veste sind getrennt zu übergeben; die Lazarette sind den Amerikanern auszuliefern und eine zivile Verwaltung ist zu bilden sowie ein Polizeiapparat einzurichten. Mit diesen Forderungen im Gepäck und von amerikanischen Soldaten begleitet, fuhren Müller und Mauer nach Coburg. Dort trafen sie vor dem Rathaus auf Stadtamtmann Sauerteig, der den Amerikanern die Stadt übergab.[4]
Neben der militärischen Seite muss bei der Betrachtung der Kapitulation Coburgs auch das Verhalten der zivilen Stadtverwaltung untersucht werden. Auf deren Ebene kam es am 7. April zu einer Veränderung. Oberbürgermeister August Greim übergab an diesem Tag die Leitung der Stadt an Stadtamtmann Alfred Sauerteig. Dieser war damit der kommissarische Oberbürgermeister Coburgs. Greim selbst flüchtete am 8. April um sich, wie er selbst sagte, der Wehrmacht im Endkampf zur Verfügung zu stellen. Dies tat er jedoch nicht, ohne zuvor seine letzten Anweisungen an Sauerteig und die Stadtverwaltung zu geben. Wie die militärische Führung verlangte auch er, dass Coburg bis zum letzten Mann verteidigt werden müsse und den Amerikaner niemals in die Hände fallen dürfe.[5] Die Flucht Greims sorgte für große Empörung in der Stadt, da doch gerade in dieser Phase des Krieges die Machthaber nicht müde wurden, an den Durchhaltewillen der Menschen zu appellieren sowie herauszustellen, dass es jetzt nichts Wichtigeres gebe, als die Heimat zu verteidigen.[6]
Sauerteig und die noch verbliebene Stadtverwaltung sahen in einer Verteidigung der Stadt keinen Sinn und wollten deshalb mit den Militärs auf der Veste besprechen, ob und wie man die Stadt übergeben könne. Da sich aber kein Kontakt herstellen ließ, waren Sauerteig und seine Mitstreiter auf sich selbst gestellt.[7]
Aktiv wurde die Zivilverwaltung, als man am Nachmittag des 10. April 1945 kurzzeitig die weiße Fahne auf der Veste erblickte. Da man keinen Kontakt zu den Militärs auf der Veste hatte, entschied sich Sauerteig zwei Polizeibeamte dorthin zu schicken. Diese mussten jedoch feststellen, dass die Veste geräumt worden war. Sotte hatte die Stadtverwaltung weder über seine Absetzungspläne noch über die von ihm entsandten Parlamentäre informiert. Die Stadtverwaltung zog daraus den Schluss, dass sie jetzt alleine für das Schicksal Coburgs verantwortlich sei. Der kommissarische Oberbürgermeister Sauerteig schickte daraufhin mehrere Polizisten aus, um mit den Amerikaner zu verhandeln. Von diesen erreichte jedoch nur Ludwig Amend die amerikanischen Linien.[8]
Somit standen also am Morgen des 11. April zum einen die Wehrmachtsparlamentäre, zum anderen Polizist Amend in Kontakt bzw. Verhandlungen mit den Amerikanern, ohne das die Deutschen oder die Amerikaner untereinander davon wussten.[9]
Amend überbrachte den Amerikanern eine Erklärung Sauerteigs, wonach die Stadt zur bedingungslosen Übergabe bereit sei. Daraufhin fuhren die Amerikaner mit Amend nach Coburg. Dort trafen sie fast zeitgleich mit dem Begleitkommando der Parlamentäre Müller und Mauer ein. Sauerteig übergab daraufhin, wie schon erwähnt, die Stadt.[10]
Kurze Zeit später wurde auch die Veste an die Amerikaner im Beisein von Herzog Carl Eduard übergeben. Der Herzog selbst wurde noch im April 1945 verhaftet. Nach anderthalbjähriger Internierung wurde er allerdings im Entnazifizierungsverfahren trotz seiner Förderung der NSDAP vor 1933 als „Minderbelasteter“ eingestuft und nach Zahlung einer Geldbuße wieder freigelassen.[11]
[1] Nahr: Coburg 1945. S. 33f.;Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 313;Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 389.
[2] Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 389.
[3] Nahr: Coburg 1945. S. 34ff.;Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S.313f.;Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 386.
[4] Nahr: Coburg 1945. S. 37f.;Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 315;Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 389.
[5] Nahr: Coburg 1945. S. 40f.;Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 308, 310.
[6] Ebenda, S. 310.
[7] Ebenda, S. 311.
[8] Nahr: Coburg 1945. S. 15; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 313f.
[9] Ebenda, S. 315.
[10] Ebenda, S. 315f.;Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 389.
[11] Nahr: Coburg 1945. S. 46; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 317; „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Katalog zur Ausstellung der Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. und des Stadtarchivs Coburg im Staatsarchiv Coburg. 16. Mai bis 8. August 2004. Coburg 2004. (= Coburger Stadtgeschichte. Band 2). S. 46.