Über die Entstehung der Stadt Coburg, deren Name im Jahre 1057 zum ersten Male urkundlich erwähnt wird, herrscht fast völliges Dunkel; ihre Anlage erfolgte nach einem bestimmten Plan in nahezu kreisrunder Form der inneren Umwallung; gerechnet, in genau gleicher Länge resp. Entfernung angelegt.
Die ursprünglichen Befestigungen genügten schon am Anfang des 14. Jahrhunderts für die auch außerhalb der Stadtmauern anwachsende Stadt nicht mehr; das äußere Ketschentor soll schon 1303 entstanden sein; eine weitere Verstärkung erfuhren die Stadtbefestigungen wegen des drohenden Einfalls der Hussiten anfangs des 15. Jahrhunderts durch Anlage von Gräben und Mauern, sowie durch Schaffung von Zwingern. Die westliche Vorstadt vor dem Judentor und die nördliche vor dem Spitaltor wurden mit in die Stadtbefestigungen eingezogen; die teilweise noch sichtbare Stadtmauer an der jetzigen schwarzen Allee nach dem Bürglaßtor bildet einen Rest dieser Befestigung.
Über den Zustand unserer Stadt im 14. Jahrhundert sind nicht viele Anhaltspunkte zur Erlangung eines klaren Bildes vorhanden, doch lassen manche Schilderungen anderer Städte zu dieser Zeit, u. a. G. Freytags Bilder a. d. d. V., einen Schluss auf den damaligen Zustand Coburgs zu.
Wer um die Zeit nach 1300 am Morgen die Stadt betrat, begegnete sicher zuerst dem Stadtvieh, denn in kleinen und großen Städten trieb der Bürger Landbau auf Wiesen, Äckern und Weinbergen der Stadtflur; den Bürgern Coburgs waren zur Hut und Weide ihres Viehes die Anger vor dem Ketschentor (bis 1859), Judentor, im Heiligkreuz, ferner die Hut bei Scheuerfeld und Neuses sowie der Sauanger, jetzt Seifartshof, überlassen. Die meisten Häuser, auch die vornehmen, hatten im Hofraum Viehställe und Schuppen; der Schlag des Dreschflegels wurde um 1350 in Nürnberg, Augsburg, Ulm nahe am Rathaus gehört, unweit der Stadtmauer standen Scheuer und Städel; jedes Haus hatte seinen Getreideboden und häufig einen Kellerraum, denn der Weinbau war damals bekanntlich in ganz Deutschland stark in Betrieb.
Große Flüge von Tauben hoben sich aus den Gassen; sie waren Lieblinge der Bürger; seltene Arten waren gesucht, einer suchte sie dem anderen abzufangen und der Rat hatte viele Schwierigkeiten hierüber zu schlichten. Noch mehr Mühe machten dem Rat die Borstentiere und ihr Schmutz; er verbot zuweilen, Schweineställe an die Straße zu bauen, so 1424 in Frankfurt a. M.; auch in dem reichen Ulm liefen die Schweine übelriechend auf den Straßen umher, bis 1410, wo ihnen das auf die Mittagstunde von 11-12 beschränkt wurde. Schmückte sich die Stadt einmal zu einem Kaiserbesuch oder sonstigem hohen Feste, dann ließ sie, um säuberlich auszusehen, nicht nur die Gehängten vom Galgen abnehmen, sondern auch den Dünger von Straßen und Plätzen der Stadt schaffen. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass das Anstandsgefühl unserer Vorfahren auch kleine Gemächer in der Straße errichtete; diese „Profeien“ wurden ebenfalls bei besonderer Gelegenheit gereinigt.
Die Straßen selbst waren mit argem Schmutz bedeckt; wer bei schlechtem Wetter ausging, fuhr in schwere Holzschuhe; von den Ratsherren wurde gefordert, dass sie diese vor der Sitzung auszogen. Um, wie es heißt, ihren Markt und sumpfige und grundlose Gassen mit Steinen reinlich zu pflastern, wandte sich der Rat der Stadt Coburg 1438 an Kurfürst Friedrich zu Sachsen, der ihr dazu die Einnahme des Ungeldes auf die nachfolgenden zwanzig Jahre verwilligte.
Die Häuser in den sich eng gewundenen dahinziehenden Straßen waren meist klein, von Fachwerk gebaut und mit Stroh bedeckt, mit dem Giebel auf die Straße und mit überspringenden Stockwerken, in denen Erker und Söller waren. An dem Erdgeschoss der Häuser auf der Straße Schuppen und Buden angebaut; der Hauskeller öffnete sich auf die Straße zu und die Källerhälse ragten bis in den Fahrweg.
In die Häuser der wohlhabenden Kaufleute hielt der Stubenofen Einzug
Die Einrichtung der Wohnung, Gerät und Ausstattung waren im Anfang des 14. Jahrhunderts selbst bei Wohlhabenden dürftig; die Räume schmucklos mit wenig Gerät, darinnen eng das Zusammenleben; erst während dieses Zeitraumes begann in den Häusern der Kaufleute eine bessere Ausstattung. Der Stubenofen, kein häufiges Gerät des alten Bürgerhauses, ward in wohlhabenden Häusern gegenüber der seitherigen Form des verkleinerten Backofens größer, buntfarbig und mit ehrenvollen Sitzen an der Seite. Der Ofen und die bunten, in Blei gefassten Glasrauten der Fenster waren der größte Schmuck eines stattlichen Hauses. Die Stuben wurden am Ende des Jahrhunderts wohl schon mit Kalkfarben gemalt, die Möbel einfach, Tisch, Holzstühle, Bänke, die Schränke seltener als Truhen und Kasten, das Geschirr war von zierlich gemalten und glasierten Ton oder von Zinn.
Im Erdgeschoss war die Werkstätte oder Arbeitsstube, außerdem eine Schlafkammer und eine Hinterstube für die Frauen und zur Gesellschaft; das war auch in wohlhabendem Haushalt das Wohngelaß; viel Raum des Hauses war durch Warenlager und Vorräte beansprucht. Wie reich sich in dieser Zeit das Leben der Stadt entfaltete, das Privatleben und das Behagen des Einzelnen trat auch im Hausbau auffallend vor den Arbeiten der Gemeinde zurück, denn zwischen Strohdächern erhoben sich einzelne Kirchen, wie hier die an der Stelle der Morizkirche früher gestandene Kirche, dann die 1511 abgebrannte Georgenkirche, die Heiligkreuzkirche, ferner das Barfüßerkloster, das Rathaus und wenige größere Steinbauten im Besitze wohlhabender Bürger; bei den der Gottesverehrung geweihten Räumen zeigte die Bürgerschaft mit Stolz, was Geld und Arbeit in ihr vermochte.
Zur Errichtung des für das zahlreiche Ratspersonal längst notwendig gewordenen Rathauses erkaufte die Stadt im Jahre 1438 vier an dem Markt gelegene Häuser, die abgebrochen und an deren Stelle ein Kauf- oder Rathaus, das sogen. alte Rathaus, gebaut wurde. 1577 bis 1579 wurde dieser Bau durch den neuen Teil des Rathauses, den an der Ecke des Marktes und an der Ketschengasse gelegenen Flügel, erweitert.
Eine Wendung zur Verschönerung des Stadtbildes begann, als Coburg unter Herzog Johann Ernst, dem Stiefbruder des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmütigen, Sitz eines herzoglichen Hofes wurde, und dieser in den Jahren 1545 – 49 an Stelle des aufgehobenen Barfüßerklosters ein im Renaissancestil gehaltenes Schloss, die Ehrenburg, erbaute.
Herzog Casimir als Gestalter des Coburger Stadtbildes
Aber vor allem hat der Herzog Casimir, nachdem er Coburg zu seiner Residenz wählte, eine große, die Verschönerung der Stadt wesentlich befördernde Bautätigkeit veranlasst und damit Coburg für immer den Stempel seiner Regierung aufgebürdet.
Wie der um die Geschichte unseres Landes und unserer Stadt hochverdiente Oberschulrat Dr. Riemann in einem in dem Werke „Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens“ enthaltenen Aufsatz über die Stadt Coburg ausdrücklich schildert, entstand in den Jahren 1597 – 1599 als Sitz der herzoglichen Behörden das Regierungsgebäude am Markt, 1602 wurde das Gymnasium Casimirianum begonnen, 1606 folgte die Stahlhütte, 1616 das stattliche Zeughaus, 1626 begann die Vergrößerung und der Umbau der Ehrenburg und 1627 – 1629 wurde das ungefähr an der Stelle der jetzigen Hauptwache liegende Ballhaus erbaut.
Auch zum Ausbau des Kirchengewölbes von St. Moriz statt der bisherigen Holzdecke forderte Casimir den Rat der Stadt durch seinen Kanzler im Jahre 1619 auf, aber Bürgermeister und Rat baten „um Gottes Willen“ mit dem Bau zu warten, bis aller Unfrieden im Römischen Reich gestillt sei und die Bürgerschaft sich wieder etwas erholt habe.
Ferner wirkte Casimir auf die Verschönerung Coburgs durch Anordnung des Baues der kunstvollen und mit Malerei gezierten Bogengänge für Familiengrüfte des Friedhofs beim Ketschentor, auf die Verbesserung der Tore, Brücken und das Pflaster; so wurde das Steintor 1598 neu aufgebaut, 1618 die erste steinerne Brücke über die Itz bei der Heiligkreuzkirche errichtet; er befahl die Entfernung der Scheunen aus der Innenstadt und deren Verlegung vor die äußeren Tore; auch mussten die teilweise noch vor den Häusern liegenden Miststätten aus den Straßen entfernt werden.
Die durch Casimir gegebene Anregung machte sich auch bei den verschiedenen Privatbauten damaliger Zeit bemerkbar, so bei dem Hause Judengasse Nr. 3 mit seinem schönen Erker, bei dem jetzt zum städtischen Museum bestimmten Haus Herrngasse Nr. 4 mit seinem Renaissanceerker.
Trotz des dreißigjährigen Krieges und des Verlaufs von drei Jahrhunderten bieten sich diese Zeugen des Kunstsinns Casimirs auch jetzt noch in ihrer Schönheit und edlen Form unserem Auge – die Freunde und der Stolz der Coburger und der Freunde heimatlicher Kunst.