Um das für ein zahlreiches Ratspersonal längst notwendig gewordene Rathaus schaffen zu können, kaufte die Stadt im Jahre 1438 vier am Markt gelegene Häuser zum Abbruch, an deren Stelle ein Kaufhaus oder Rathaus, das sogenannte alte Rathaus erbaut wurde. Im oberen Stock hielten die Schuhmacher, Kürschner und Tuchmacher feil, unten die Bäcker und Metzger, welch letztere 32 Fleischbänke hatten.
Zur Bezahlung der durch diesen Bau entstandenen Schulden wurde der Stadt auf ihr „flehentliches Anrufen“ hin von dem Herzog Wilhelm die Erhebung des Ungeldes, eine Steuer auf in der Stadt verbrauchten Wein und auf Getreide, gestattet.
Aber auch dieser Neubau erwies sich auf die Dauer als ungenügend, denn im Jahre 1577 kaufte die Stadt das an der Ecke der Ketschengasse stehende Haus der Margarethe Braun für 500 fl, um einen Vergrößerungsbau ausführen zu können; dieser Bau, zu dem die Quadersteine bei dem Oelbergbrünnlein (Oelperlein) gebrochen wurden, fand 1579 seine Vollendung.
Der Gemächer in dem sogen. neuen Rathaus bediente sich zum Teil die fürstliche Herrschaft, teils der Rat und teils die gemeine Stadt, d. h. die Bürgerschaft.
Die obere Eckstube mit Erker, jetzt Stadtverordnetensaal, wurde für die fürstlichen Herrschaften derart ausgeputzt und möbliert, dass „sie solche zu einem Tafel-Gemach und Abstieg, wenn sie bisweilen auf das Rathaus zur Beschauung eines Jahrmarktes oder sonsten kommen, gebrauchen könnte.“
Unten im Hofe befand sich die Wohnung des Zöllners, der zugleich den Ratskeller, aus dem allerlei Wein verzapft wurde, mit versah und auch auf der großen Waage die Güter zu wiegen hatte.
In der Ecke des Marktes, wo sich jetzt die Sparkasse befindet, war die fürstliche Apotheke, welche später in das jetzige Gebäude der Hofapotheke verlegt wurde; dann war in diesem Raum die Garküche bis im Jahre 1735 das besondere Haus für sie errichtet wurde.
Im ersten Stock fand sich der Bürgermeister täglich in der Regimentsstube ein, die übrigen Ratsherren erschienen aber wöchentlich dreimal zu Sitzungen; in den Nebenstuben waren der Stadtschreiber, die Steuer- und Acciseinnehmer.
Ferner war im ersten Stock nach der Ketschengasse zu ein großer Saal, der „Tanzböden“ genannt, der bei größeren Hochzeiten von Bürgern als Tanzplatz, sonst aber bei Jahrmarktszeiten den Tuchhändlern zum Verkauf ihrer Tücher überlassen wurde. Durch verschiedene Einbauten, die Verwaltungszwecken dienende Räume schufen, ist dieser Saal in seiner ursprünglichen Gestalt nicht mehr vorhanden.
Die Räume in zweiten Stock scheinen erst 1598 vollendet worden zu sein; in dem einen, nach dem Markt zu liegenden Zimmer war das Hofgericht bis zu seiner im Jahre 1648 erfolgten Aufhebung untergebracht; das Zimmer nebenan diente als Briefkammer für die Akten und Urkunden des Rats, der nach der Ketschengasse zu gehende Saal als Vorsaal für das Hofgericht; seine Wände waren bis zum Jahre 1700 mit den Bildnissen der früheren Bürgermeister geschmückt; wann sie entfernt wurden und wohin sie kamen, ist nicht festzustellen.
Jedenfalls war der obere Saal mit seiner glücklicherweise erhaltenen schön geschnitzten Balkendecke ein sehr stattlicher Raum, in dem sich der gastfreundliche Sinn der Stadtverwaltung hinreichend betätigen konnte. Hierzu bot namentlich die im Frühjahr erfolgende Ablegung der Ratsrechnung Gelegenheit; nachdem der geschäftliche Teil rasch und glatt erledigt war, wurde unter vielfacher Anwesenheit der Landesfürsten mit Gefolge eine große Schmauserei abgehalten, so 1599, 1615, 1618; an 20 Tischen im Tanzboden (1. Stock) und Saal (2. Stock) wurden die Gäste bewirtet. Mit stiller Befriedigung setzt der Chronist dem Berichte von 1618 hinzu: „Gottlob ist Alles friedlich und einig abgegangen.“
Dass der Herzog Casimir den Einladungen zum sogenannten Ratsessen gerne nachkam, geht aus seiner eigenhändigen Antwort vom 4./8. 1626 hervor; er schreibt, „er habe zwar viel zu tun, setze die täglichen Jagden und andere hohe Anliegen nicht gerne aus, doch wolle er so viel sich abmüßigen, dass er zum Schmaus kommen könne“.
Einen wesentlichen künstlerischen Schmuck der Marktfront erhielt das Rathaus durch den in deutscher Renaissance erbauten Erker, der eine einfache, aber schöne Architektur zeigt.
Unter dem Schutzpatron der Stadt, dem in voller Ritterrüstung dastehenden heiligen Moriz, kniet der Baumeister oder Steinmetz mit dem Hammer und seinem Steinmetzzeichen. Auf dem von seiner Hand getragenen Schild sind die Anfangsbuchstaben H. S. angebracht, die mit Hieronymus Schmidt, dem vermutlichen Erbauer des neuen Rathauses, zu deuten sein dürften.
Mit der schönen, geräumigen Einrichtung des Innern des Rathauses vereinigen sich noch der bunte, malerische Schmuck des Äußeren, sodass die Bürger Coburgs im 17. Jahrhundert mit vollem Recht stolz auf ihr stattliches, bürgerliche Kunst- und Opferfreundlichkeit darstellendes Rathaus als eines der schönsten Rathäuser Thüringens blicken konnten.