Das „Grüne Labor Coburg“ am Himmelsacker
Blick vom Grünen Labor am Himmelsacker auf die Veste Coburg. Foto: Horst Jürgen Schunk.
Auf Initiative der „International Society of Arboriculture“ (ISA) und des Vereins „Baumschutz Coburg e.V.“ entstand Ende der 1990er Jahre in Coburg ein einzigartiges wissenschaftliches Forschungs- und Naturschutzprojekt. Das „Lebende“, später „Grüne Labor“ am Coburger Himmelsacker ist eine Versuchsfläche, die auf kleinstem Raum eine Vielzahl an Gehölzen, vom Apfel- bis zum Walnussbaum, versammelt, und langfristig Daten darüber liefern soll, wie sich die verschiedenen Baumarten unter gleichen Bedingungen (fort-)entwickeln. Ein derart ambitioniertes Projekt hat naturgemäß viele Väter. Der Coburger Horst Jürgen Schunk hat das Projekt jedoch von Beginn an begleitet und erzählt im folgenden Bericht von den Anfängen:
Der Präsident des deutsch Chapters der ISA, Dipl Ing. Hartmut Schmidt aus Minden, frage mich im Jahre 1998, ob Coburg Interesse hätte, sich für die Errichtung eines Versuchsgartens für urbane Gehölze zu bewerben. Schmidt war zuvor einer der Referenten bei der Veranstaltung des Vereins „Baumschutz Coburg e.V.“ – „Freund oder Feind – Der Baum in der Stadt“ – im Kongresshaus Rosengarten. Dabei kamen wir ins Gespräch und blieben in Verbindung. Die ISA, Sektion Germany/Austria, wollte eine solche Versuchsfläche erstmals in Europa installieren. Der Garten hieß anfangs noch „Lebendes Labor“, so steht es auch auf dem Schild am Eingang dieser Einrichtung. Später wurde dann daraus das „Grüne Labor“, um Bedenken zu zerstreuen, dass hier irgendwelche Lebewesen gequält würden.
Hartmut Schmidt, im März 2014 verstorben, wollte einen Versuchsgarten, in dem unterschiedliche Gehölzarten unter gleichen Bedingungen über Jahrzehnte heran wachsen, um daraus entsprechende Schlüsse ziehen zu können; welche Gehölzarten sich künftig in Städten und Gemeinden eignen. Ohne das Engagement von Hartmut Schmidt wäre diese Einrichtung nicht in Coburg entstanden.
Mit dem Grünflächenamt und seinem Leiter Gerhard Seiffert setzte ich mich zusammen und Coburg bewarb sich mit acht anderen Städten um dieses einmalige, internationale Projekt. Vorgeschlagen wurde der ISA ein 2500 m² großes Wiesengrundstück am Himmelsacker, unterhalb des Bismarckturmes.
Coburg gewann überraschend diese Ausschreibung. Unter anderen deswegen, weil sich das Grünflächenamt interessiert und kooperativ zeigte und weil mit dem Verein „Baumschutz Coburg e.V.“ eine baumfreundliche Vereinigung in Coburg existierte, die es anderswo so nicht gab. Aber auch, weil der ISA zugesichert wurde, dieses Grundstück langfristig als grünen Versuchsgarten zu erhalten und keiner Bebauung zuzuführen.
Ein „Lebendes Labor“ entsteht: Mit einer Eiche fing es an…
80 Gehölzarten aus der gemäßigten Klimazone wurden vom Planer, Ing. Karl-Heinz Walzer aus Wien, Landschaftsarchitekt, zugleich Sachverständiger für Bäume und damaliger ISA-Chef des Chapters Austria, ausgewählt. Mit ihm führte ich mehrere zielführende Vorgespräche, eines davon sogar in einer „Buschenschänke“ im Rotweinort Oggau am Neusiedler See. Da keine Baumschule aus der Region Interesse an der Ausschreibung zeigte, bekam die Firma Stöteler aus Ahaus den Zuschlag. Hans-Hermann Stöteler, ebenfalls Mitglied der ISA, war von diesem Projekt so begeistert, dass er für das „Grüne Labor“ einige Spenden übergab.
Im Jahre 1999 wurde, sozusagen als Startschuss, eine einzelne Eiche gesetzt, dabei waren eine Schulklasse, Mitglieder der ISA Germany/Austria sowie Vertreter der Stadt Coburg. Im Frühjahr 2000 erfolgten dann die Anpflanzungen der übrigen Gehölze im Wert von 40.000 Euro. Eine der größten Pflanzaktionen, die Coburg in den vergangenen Jahrzehnten erlebte; ein riesiges Geschenk für die Stadt Coburg.
Das Grünflächenamt übernahm von da an die Pflege, sprich das Mähen des Grases. Neben einem Obstlabor mit alten Apfelsorten, die auch zum Veredeln verwendet werden sollen, wurden u.a. folgende Gehölzarten gepflanzt: Mehlbeeren, Birken, Pappeln, Buchen, Eichen, Gleditschien, Mispeln, Kirschen, Linden, Eschen, Geweihbaum, Speierling, Tulpenbaum, Schwarznuss, Hartriegel, Trompetenbaum, Robinien, Österreichische Schwarzkiefer, Kiefern, Hemlocktannen, Mammutbaum. Als Baum-Spenden aus der Bevölkerung kamen noch ein Götterbaum, eine Italienische Esche, ein Schnurbaum, eine Flügelnuss sowie ein Walnussbaum hinzu. Wolfgang Eidloth, Stadtgärtner des Grünflächenamtes, kümmerte sich vorrangig um diese Einrichtung.
Prof. Dr. Hartmut Balder von der Technischen Hochschule Berlin war von Beginn an derjenige, der mit seinen Studenten über die Jahre hinweg Untersuchungen an den Gehölzen vornahm um zu ermitteln, wie sich die diversen Arten und Sorten entwickeln, welche Schadensbilder auffällig wurden und werden. Auf diesem extremen Standort mit dem schweren Lehmboden gab es natürlich auch Ausfälle, sie waren und sind Teil des Versuchs. Das war so gewollt. Als Ing. Karl-Heinz Walzer im Vorfeld Bodenproben vom Coburger Himmelsacker mit nach Wien nahm, meinte er scherzhaft, man hätte annehmen können, dass er Plastiksprengstoff mit sich führe, so extrem mutete der Lehmboden an. Auch die Fachzeitschrift „Baumzeitung“ nahm sich diesem Projekt an.
Das „Grüne Labor“ wurde nach Fertigstellung im Rahmen einer großen Eröffnungsveranstaltung offiziell an die Stadt Coburg übergeben und wird seitdem auch als öffentlicher Park von Bürgerinnen und Bürgern gerne angenommen. Pflanzwillige können sich hier vor Ort die unterschiedlichsten Bäume ansehen und ihre „Wunschbäume“ auswählen. Ein Aspekt dieser Einrichtung sollte auch sein, für Bäume, ihre Vielfalt, ihren Schutz, ihre Notwendigkeit nachhaltig zu werben sowie die Gedanken an die Notwendigkeit des Baumschutzes dauerhaft am Leben zu erhalten. Es gab und gibt immer wieder Führungen durch das „Grüne Labor“, die Horst Schunk auf Anfrage vornimmt. Am Rande sei erwähnt, dass in direkter Nachbarschaft des „Grünen Labors“ auch der erste Coburger „Hochzeitswald“ sowie der „Regenbogenwald“ entstand, zusammen ein ganz besonderes, einmaliges, grünes Areal.
Im Jahre 2010 fand erneut eine größere Zusammenkunft der Planer und Verantwortlichen in Coburg statt. Weitere Veranstaltungen und Untersuchungen sind geplant.
Wie Planer Ing. Karl-Heinz Walzer aus Wien einmal sagte: „Man muss den Bäumen und ihrer Entwicklung viel Zeit geben, denn Bäume haben mehr Zeit zur Verfügung, als Menschen. Und damit auch geduldig sein, was belastbare Ergebnisse betrifft“. Wünschenswert wäre auch ein höherer Bekanntheitsgrad dieser Einrichtung in der Bevölkerung.
Die Geschichte des „Grünen Labors“ kann mit weiteren Details im Buch „Über den Tag hinaus – Leben mit Bäumen“, erschienen im „Veste-Verlag-Roßteutscher“ (ISBN: 978-3-925431-32-6) und auch in der Online-Enzyklopädie Wikipedia nachgelesen werden.