Werner Ultsch: „Von einem, der auszog, um in der weiten Welt sein Glück zu suchen…“
Es liest sich ein bisschen, wie die Geschichte von einem, der auszog, um in der weiten Welt sein Glück zu suchen: Werner Ultsch, 1935 in Coburg geboren, hielt es in jungen Jahren nie lange an einem Ort. Früh verließ er seine Heimat Coburg, bereiste viele Länder und lernte dort Menschen, Sprachen und Lebensart(en) kennen und schätzen. Und wer viel herumkommt, hat am Ende ganz selbstverständlich auch etwas erlebt und zu erzählen. Ein Teil dieser außergewöhnlichen Lebensgeschichte ist aber auch, dass der weitgereiste Coburger nach Jahren auf der Wanderschaft schließlich doch noch in seine alte Heimat zurückkehrte, sich im nahegelegenen Weidhausen selbständig machte und seinen Lebensmittelpunkt fand. Wie stark die Geschichte der Familie Ultsch mit der Region Coburg verbunden ist, stellte sich jedoch erst viele Jahre später heraus, als Ultsch begann, sich mit der Erforschung des eigenen Familienstammbaumes zu beschäftigen. In alten Kirchenbüchern folgte er – über mehrere Generationen hinweg – der Spur seiner Vorfahren zurück bis ins 16. Jahrhundert.
Kindheit und Jugend in Coburg
Geboren am 27. September 1935 in Coburg, wuchs Werner Ultsch in den familiären Betrieb hinein. In der elterlichen Metzgerei im Hahnweg und auf dem Bauernhof der Großeltern mussten er und seine Geschwister in ihrer Jugend regelmäßig aushelfen. „Die Arbeit war hart, der Großvater sehr streng, aber wir Kinder hatten ihn trotzdem sehr gern“, weiß Ultsch aus dieser Zeit zu berichten. Eingeschult im Jahr 1942, sollte er nach dem Abschluss in die elterlichen Fußstapfen treten und Metzger werden. Der junge Werner schlug jedoch einen anderen Weg ein, besuchte die Handelsschule und ließ sich zum Elektro-Großhandelskaufmann ausbilden. Nach Abschluss der Lehre verlässt er seine Heimat. Im Ruhrgebiet ist er in seinem erlernten Beruf schnell erfolgreich und erhält das Angebot den Betrieb, in dem er zur damaligen Zeit arbeitete, zu übernehmen.
Einschulung (1942)
Ein „polyglotter“ Weltenbummler auf Europareise
Doch Ultsch ist nicht bereit, sich an einen Ort zu binden, er will noch etwas erleben. Ihn zieht es raus – in die weite Welt – nach England, Spanien, Frankreich, in die Schweiz und schließlich auch – über den Atlantik – in die Vereinigten Staaten. Im Ausland bildet sich der wissbegierige junge Mann ständig weiter: In Bournemouth an der englischen Südküste, in Barcelona und Paris besucht er (Sprach-)Kurse, erlernt im Selbststudium aber auch durch den täglichen Gebrauch nach und nach die vor Ort gesprochenen Sprachen. Fließend in Englisch, Französisch und Spanisch fällt es dem welt- und wortgewandten jungen Mann leicht, neue Menschen kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Seinen Lebensunterhalt verdient Ultsch in diesen Jahren vielfach im Hotel- und Gastgewerbe. In Frankreich arbeitet er – während er tagsüber zur Schule geht – als Nachtportier in einem noblen Pariser Hotel.
Arbeitsgenehmigung Paris (1961)
Sprung über den Atlantik in die USA
Den Sprung über den Atlantik ermöglicht ihm schließlich eine zufällige Begegnung mit dem Fernsehprediger Billy Graham im schweizerischen Montreux. Der einflussreiche Gründer eines – bis heute – weltweit tätigen Missionswerkes befindet sich mit seinen „Crusades“ (dt. „Kreuzzüge“) genannten Massenevangelisationen gerade auf Europatournee. Spontan lädt er den jungen Mann ein, ihm in die Zentrale der Mission im US-Bundesstaat Minnesota zu folgen. Ultsch willigt ein – über Paris, New York und Chicago landet er wenige Tage später in Minneapolis. In Grahams Organisation arbeitet er zunächst in der Poststelle und öffnet die Briefe mit den Spendenschecks der Gläubigen. Die Geschichte des „well-traveled german“ – des „weitgereisten Deutschen“ – ist so außergewöhnlich, dass eine Tageszeitung in der benachbarten Schwesterstadt St. Paul bereits damals über den Neuankömmling berichtet.
Für Ultsch ist auch diese Station erneut nur ein Zwischenstopp. Unentwegt setzt er seine Reise fort, in den Vereinigten Staaten nun von Bundesstaat zu Bundesstaat: In New Orleans (Louisiana), Dallas (Texas) und Palm Springs (Kalifornien) arbeitet er – wie zuvor schon – wieder im Hotel- und Gastgewerbe, erlebt dort Stars wie Benny Goodman und Frank Sinatra aus nächster Nähe. Auch den Bruder des (ehemaligen) Präsidenten, US-Senator Edward „Ted(dy)“ Kennedy lernt er auf einer Wahlkampfveranstaltung kennen. Eine aufregende Zeit, deren Ende jedoch zunehmend absehbar wird. „Nach und nach setzte sich bei mir der Gedanke durch: Wenn ich jetzt nicht nach Hause fliege, kehre ich wohl nicht mehr zurück…“, erinnert sich Ultsch. Wenig später bricht er seine Zelte ab und kehrt nach Coburg zurück.
Palm Springs (1964)
Rückkehr nach Coburg
Um (Lebens-)Erfahrung reicher, fällt er – zurück in seiner Heimat – den Entschluss, sich selbständig zu machen. In Coburg gründet er 1967 einen Fachhandel für moderne Baustoffe. Das Unternehmen wächst schnell – und wird zu groß für seine Heimatstadt. Für eine Expansion vor Ort fehlt der nötige Baugrund. Das Unternehmen siedelt 1972 ins benachbarte Weidhausen um – wo sich auch heute, knapp 50 Jahre später – noch immer der Stammsitz der inzwischen bundesweit an mehreren Standorten vertretenen Ultsch Fassadenfachhandel GmbH befindet.
Ahnenforschung und Familienchronik
Dass die Region Coburg bereits seit vielen Jahrhunderten die Heimat seiner Vorfahren ist, entdeckte Ultsch erst viele Jahre später, als er sich der Familienforschung zuwandte. Mehrere Jahre recherchierte er in den gut erhaltenen Kirchenbüchern von Frohnlach – heute ein Ortsteil der Gemeinde Ebersdorf b. Coburg – erstelle Abschriften und lernte die Kürzel und Zeichen der Eintragungen zu deuten. Entstanden ist eine – liebevoll zusammengestellte – Familienchronik, deren Stammbaum mindestens bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. „Der älteste (nachweisbare) Vorfahr, Nicolaus Ultsch, war von 1645 an Schuldiener in Redwitz, wenige Jahre später siedelte er nach Ebersdorf über und übernahm dort das Amt des Schulmeisters. Diese standen zur damaligen Zeit noch im Dienst der Kirche, waren dem Dorfpfarrer unterstellt und für diesen auch als Kantor, Chorleiter oder Kirchendiener tätig“, berichtet Ultsch von seinen Recherchen. Im Stammbaum der Familie Ultsch finden sich – zurückgehend bis mindestens 1697 – aber auch viele (Weiss-)Büttner. „Weissbüttner fertigten aus Pappeln und Lerchen u.a. Schweinströge, Backtröge und Holzschüsseln, als Nebenprodukt auch Schneidbretter, Küchenutensilien, Holzschwerter und Schirmständer“, weiß Ultsch auch zu diesen Vorfahren etwas zu berichten. Die Ahnenforschung sieht Werner Ultsch mit der 2005 veröffentlichten, knapp 60 Seiten umfassenden Familienchronik jedoch keinesfalls als abgeschlossen an:
„Sie soll als Nachschlagewerk vielmehr der Ansporn für künftige Generationen sein, sich mit der Geschichte der Familie und ihren historischen Wurzeln zu beschäftigen“, hofft der heute 80-jährige, „Vielleicht ist es nur der Anfang von weiteren, tiefergehenden Nachforschungen.“