Zensur und Überwachung – mit Coburger Stempel
Dieser gefälschte Tagesstempel stammt aus dem Besitz der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit (BVfS), einer nachgeordneten Einheit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), im Volksmund kurz „Stasi“ genannt.
Die Beschriftung: oben Coburg 1, unten: 863 – das ist die Kurzform der bis 1993 gebräuchlichen Coburger Postleitzahl 8630. Der Stempel wurde mit vielen weiteren Poststempeln anderer Städte der damaligen Bundesrepublik in einem Münzalbum („Poststempelmappe“) in der Leipziger BVfS gefunden.
Mit diesen Stempeln entwertete die Stasi nicht nur Briefmarken auf neuen Umschlägen – was notwendig wurde, wenn die Originalumschläge beim Öffnen der Briefe beschädigt worden waren. Sie stempelte auch die von ihr fingierten Briefe ab, mit denen sie versuchte Personen zu denunzieren und so Misstrauen zu verbreiten.
Mit Uniformen und Dienstausweisen der DDR-Post ausgestattet, arbeiteten die Angehörigen der Abteilung M (Postkontrolle) des MfS oftmals direkt in den Postämtern. Sie sortierten alle Briefe aus, deren Adressen sich in der „Anschriftenfahndung“ befanden oder anderweitig verdächtig erschienen. In der Bezirksverwaltung wurden sie mit speziellen Geräten „aufgedampft“, häufig kopiert und wieder verschlossen. Für intensivere Untersuchungen, z.B. nach Geheimbotschaften, betrieb die Abteilung M in Leipzig einen eigenen Labor- und Untersuchungskomplex. Pakete wurden z.T. mit Sonden untersucht, um ihren Inhalt identifizieren zu können.
Das Bürgerkomitee Leipzig und die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“
Am Abend des 4.12.1989 besetzten Leipziger Bürger im Anschluss an die Montags-Demonstration gewaltlos die Bezirksverwaltung, im Volksmund „Runde Ecke“ genannt, und stoppten die seit Tagen laufende Aktenvernichtung. Diesem mutigen Eingreifen ist es zu verdanken, dass der gefälschte Stempel als Zeugnis der Überwachungspraxis des MfS erhalten blieb. In der folgenden Nacht bildete sich das „Bürgerkomitee Leipzig“. Es ist Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Das Komitee entstand aus dem losen Verbund engagierter Bürger, die Tag und Nacht in der „Runden Ecke“ über Tausende Akten wachten. Mehr zur heutigen Arbeit des Vereins sowie zum Museum auf www.runde-ecke-leipzig.de.