Landeier für die Stadt
Ein Bericht von Sybille Flohrschütz
In den 1960er Jahren bin ich, als Grundschulkind, auf einem Bauernhof in einem kleinen Dorf im Landkreis Coburg aufgewachsen. Es war alles sehr idyllisch und wir waren auch ohne viel Komfort und Geld eine zufriedene Familie. Wir vier Kinder lebten zusammen mit den Eltern und Großeltern auf dem Hof. Der landwirtschaftliche Betrieb war breit aufgestellt und wir waren größtenteils „Selbstversorger“. In unseren Gärten wurde Gemüse und Obst angebaut.
Hofeigene Schlachtungen sorgten dafür, dass unser gemeinschaftliches Kühlhaus im Ort immer gut gefüllt war. Im Hühnergarten tummelte sich zahlreiches Federvieh – Enten, Gänse und Hühner mit ihrem Hahn. Um die Familienkasse aufzubessern, hatte meine Oma eine Geschäftsidee. Sie sammelte die Eier unserer Hühner, die wir nicht selbst verbrauchten während der Woche in der Speisekammer auf Eierpaletten. Am Freitagabend rollte sie jedes Ei einzeln in Zeitungspapier ein und stapelte diese Päckchen in großen Einkaufstaschen. Am Samstagmorgen ist sie dann mit meinem Onkel, der in Coburg arbeitete, in die Stadt gefahren. Dort schleppte sie die schweren Taschen zu ihren Abnehmern, die schon mit den leeren Eierkartons warteten: eine Drogerie, ein Druckverlag, ein Hut-, und ein Modegeschäft, ein Schmuckladen, eine Zahnarztpraxis, ein Schuhgeschäft und ein älteres Ehepaar, bei dem es immer einen frisch gebrühten Kaffee gab. In den Ferien durfte sie manchmal eines von uns Kindern begleiten und das war für mich immer ein besonders schönes Erlebnis. Waren die Geschäfte erledigt, ging es zum Bratwurstessen auf den Marktplatz und noch ins „Cafe Reich“ in der Spitalgasse zum Eis essen.